Chancen für den stationären Handel

„Totgesagte leben länger“ lautet der Titel einer deutschen Komödie aus dem Jahr 2009, dem zweiten Jahr der Finanzkrise. Als besonders lustig würde ich die Entwicklung im regionalen Einzelhandel zwar nicht bezeichnen, aber vom vielfach prognostizierten düsteren Ende stationärer Geschäftsmodelle sind wir weit entfernt.

Zugegeben: Der Onlinehandel gehört zu den Gewinnern des letzten Jahrzehnts. Es wurden über viele Dekaden exorbitante Zuwächse verbucht. Die Coronapandemie hat dem E-Commerce einen weiteren Schub verliehen, der sich derzeit allerdings wieder etwas relativiert – das Umsatzwachstum flacht ab. Gleichzeitig sind die Herausforderungen für regionale Einzelhändler insgesamt größer geworden: Steigende (Energie-)Kosten, hohe Mieten für Gewerbeflächen, löchrige Lieferketten, Personalmangel – all das will im betrieblichen Alltag erkannt, bewertet und gemanagt werden.

Erfreulich ist, dass wir – es klingt wie ein Paradox – derzeit eine Rückbesinnung auf den regionalen Handel verzeichnen. „Support your local dealer“ ist mehr als ein schnödes Lippenbekenntnis. Die Chancen auf unternehmerischen Erfolg sind wieder größer geworden. Kundinnen und Kunden sind dankbar, vor Ort einkaufen und sich von kompetenten Mitarbeiterinnen oder Mitarbeitern beraten lassen zu können. Ein bedarfsgerechtes Sortiment und ein dazu passendes Ambiente runden das regionale Einkaufserlebnis ab.

Doch auch hier scheint die Sonne nicht den ganzen Tag: Wer seine Hausaufgaben nicht macht, wird von diesem Trend nicht profitieren. Zu den Hausaufgaben gehört zweifelsohne eine realistische Planung von Umsatz und Kosten. Nur wer seine Zahlen kennt und ohne Emotionen betrachtet, kann steuern. Hinzu kommt ein zeitgemäßes Marketing. Hier geben die sozialen Medien, die Suchmaschinen und die großen Onlineshops den Takt vor. Und letztlich müssen stationäre und digitale Warenangebote immer enger miteinander verzahnt werden. Auch der regionale Einzelhandel muss über Onlineshops verkaufen und sein digitales Image pflegen.

Ob Kaffeesatz oder Glaskugel: Wie sich die geopolitische Lage in den nächsten Monaten entwickeln wird, kann niemand vorhersagen. Dass aber Kosten weiter steigen werden und der private Konsum zurückgehen wird, gilt nicht nur in Expertenkreisen als ausgemacht. Und so tut uns allen sicher ein wenig Optimismus gut. Hier halte ich es mit dem Maler Henri Matisse: „Es gibt überall Blumen für den, der sie sehen will.“

Christoph Braun

Geschäftsführer Braun GmbH, Langen / Foto: privat