Der globale Handel soll nachhaltiger und sozialer werden

Lieferkettengesetz betrifft nicht nur große Unternehmen

Das neue Fahrrad, die schicke Handtasche, das neueste Smartphone oder die Curry-Gewürzmischung aus dem Supermarkt: Nahezu alle unsere Produkte bestehen aus vielen verschiedenen Komponenten, die überall auf der Welt eingekauft werden. Das neue Lieferkettengesetz soll ab dem 1. Januar 2023 dafür sorgen, dass Unternehmen entlang ihrer gesamten Lieferkette definierte Standards zum Schutz von Menschenrechten und Umwelt einhalten.

Wer weltweit Handel treibt, soll darauf achten, dass seine Geschäftspartner Umwelt- und Sozialstandards einhalten. / Foto: Adobe Stock – Poco_bw

Globalisierte Lieferketten sind die Normalität. Ein Fahrrad besteht beispielsweise aus über 2.000 Teilen. Meist werden sie einzeln in einer oft mehrstufigen Zuliefererkette beschafft. Die kann sich über zahlreiche Lieferanten und Länder verteilen. Ab dem 1. Januar 2023 verpflichtet das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) in der ersten Stufe Unternehmen mit mehr als 3.000 Arbeitnehmenden und Sitz in Deutschland. Ab 2024 gilt es für alle Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitenden. Ins Ausland entsandte Mitarbeitende und Leihpersonal mit mindestens sechs Monaten Betriebszugehörigkeit werden eingerechnet.

In der Praxis zeigt sich schon, dass kleinere Unternehmen ebenfalls in die Pflicht genommen werden. Auch wenn das Gesetz für sie nicht direkt anwendbar ist, geben große Unternehmen die Sorgfaltspflichten an ihre kleineren Zulieferer weiter. Sie verlangen schriftliche Zusicherungen oder Informationen zu Vorlieferanten. Es entsteht ein Kaskadeneffekt.

Auch die Europäische Union arbeitet an einem Lieferkettengesetz. Was die zu erfüllenden Sorgfaltspflichten angeht, geht der Vorschlag deutlich über das deutsche Pendant hinaus. So soll das EU-Gesetz schon für Unternehmen ab 500 Beschäftigten gelten. In bestimmten Wirtschaftszweigen wie Textilindustrie oder Nahrungsmittelproduktion greift es sogar ab 250.

Menschenrechte sind allen wichtig

Über die Wirksamkeit des Lieferkettengesetzes lässt sich kontrovers diskutieren. Menschenwürdige Bedingungen in der Lieferkette wünschen sich Unternehmen wie Konsumenten. Die gute Absicht ist zweifelsfrei. Niemand möchte Produkte herstellen oder kaufen, die unter Missachtung von Menschrechten zustande kommen. Doch viele Firmen sehen hier die Verlagerung einer politischen Aufgabe auf die Unternehmen. Dokumentationspflichten, Kosten, Risiken – alles sollen die Firmen schultern. Die ächzen derzeit ohnehin unter der Last der vielen Herausforderungen und der Bürokratie. Insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen haben kaum Einfluss auf internationale Lieferketten oder weltweite Produktionsbedingungen. Und ihnen fehlt häufig auch die Möglichkeit, sich verlässliche Informationen über ihre Lieferketten zu verschaffen.

Hier korrekt zu agieren, bedeutet für kleinere Unternehmen einen hohen zusätzlichen Bürokratie- und Kostenaufwand. Oder sie verlieren den Zugang zu internationalen Lieferketten. Beides ist sicher nicht im Sinne der Gesetzgebung. Andererseits kann es ein Wettbewerbsvorteil sein, Sorgfaltspflichten glaubwürdig nachzukommen. Insbesondere Unternehmen, deren Kunden Endverbraucher sind, können das als Vorteil in der Kommunikation nutzen. Das gilt etwa für die Nahrungsmittelbranche.

Antworten auf die wichtigsten Fragen

Wie schaffen Unternehmen es, die Regelungen umzusetzen, und worauf müssen sie zukünftig achten? Welche Pflichten ergeben sich konkret aus dem Lieferkettengesetz?

Grundsätzlich bezieht sich das Lieferkettengesetz auf die gesamte Lieferkette. Bei den Pflichten unterscheidet es jedoch zwischen eigenem Geschäftsbereich, unmittelbaren Zulieferern und mittelbaren Zulieferern.

Für den Anfang gilt es, sich mit dem eigenen Geschäftsbereich und den unmittelbaren Zulieferern zu beschäftigen. Das Gesetz nennt Risikobereiche wie zum Beispiel organisierte Ausbeutung, Zwangs- oder Kinderarbeit. Daraufhin müssen Unternehmen ihre Lieferketten analysieren und auswerten. Im LkSG werden verschiedene Branchen genannt, in denen eher geringe menschenrechtliche Risiken angenommen werden. Bei allen anderen Branchen wird über den Grad der Beschaffungsquelle (Europa versus weltweit) unterschieden.

Die Sorgfaltspflichten werden im LkSG näher definiert und beinhalten folgende Punkte:

  1. Einrichtung eines Risikomanagements
  2. Festlegung einer betriebsinternen Zuständigkeit
  3. Durchführung regelmäßiger Risikoanalysen
  4. Abgabe einer Grundsatzerklärung
  5. Verankerung von Präventionsmaßnahmen im eigenen Geschäftsbereich und gegenüber unmittelbaren Zulieferern
  6. Ergreifen von Abhilfemaßnahmen
  7. Einrichtung eines Beschwerdeverfahrens
  8. Umsetzung von Sorgfaltspflichten in Bezug auf Risiken bei mittelbaren Zulieferern
  9. Dokumentation und Berichterstattung

Das wirkt zunächst erschlagend, relativiert sich aber bei näherem Blick. Es handelt sich ausdrücklich um eine „Bemühens“- und keine „Erfolgspflicht“. Unternehmen müssen die gesetzlichen Sorgfaltspflichten nachweisbar so erfüllen, wie es in ihrem individuellen Kontext machbar und angemessen ist. Anders gesagt: Je höher der Verursachungsbeitrag eines Unternehmens, desto größere Anstrengungen können ihm zugemutet werden, um eine Pflichtverletzung zu vermeiden.

Die IHK Offenbach am Main hilft Unternehmen bei der Umsetzung. So bietet sie den bundesweit ersten Zertifikatslehrgang „Nachhaltiges Lieferkettenmanagement (IHK)“ an. Wer teilnimmt, lernt Wertschöpfungsketten zu analysieren, Verbesserungspotenziale abzuleiten und ein ganzheitliches Nachhaltigkeitsmanagement zu initiieren. Mehr zum Lehrgang erfahren und anmelden: www.offenbach.ihk.de/E13378

Weitere Informationen zum
Lieferkettengesetz:

www.offenbach.ihk.de/P5711

Kontakt

Silvia Schubert-Kester
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