Mammut-Gemeinschaftsaufgabe für alle Akteure
IHK fordert vereinte Kräfte bei Arbeitskräftesicherung
Beim Offenbacher Dialog am 26. Oktober 2023 in der IHK Offenbach am Main mit 100 Gästen stand das Thema Arbeitskräftegewinnung und -sicherung im Mittelpunkt. Gastrednerin war Bettina Stark-Watzinger, Bundesministerin für Bildung und Forschung.
Bettina Stark-Watzinger, Bundesministerin für Bildung und Forschung, berichtete von den Maßnahmen der Bundesregierung zur Fachkräftesicherung. Mit ihr diskutierten Matthias Derzbach (l.), Leiter der Ausbildung bei Manroland Sheetfed GmbH in Offenbach, und Thomas Iser (2.?v.?l.), Vorsitzender der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Offenbach. IHK-Hauptgeschäftsführer Markus Weinbrenner (l.) moderierte die Gesprächsrunde und brachte die Fragen und Anregungen des Publikums ein.
Foto: Arens/IHK
IHK-Präsidentin Kirsten Schoder-Steinmüller hob in ihrer Begrüßung hervor: „Der Mangel an Arbeits- und Fachkräften wirkt sich schon längst negativ auf die Unternehmen aus und bremst die wirtschaftliche Entwicklung. Das wird die Unternehmen bei allen anderen Herausforderungen zukünftig in ihrer Existenz belasten. Wir müssen als Unternehmen, als Politik, als Verwaltung gemeinsam tragfähige Lösungen entwickeln und umsetzen, bevor Wohlstandsverluste für Wirtschaft und Gesellschaft drohen.“ Bereits die aktuellen Zahlen der hessischen Agenturen für Arbeit mit rund 50.000 gemeldeten offenen Stellen sowie Engpässe bei der Besetzung von Stellen bundesweit in 30 Berufsgruppen verdeutlichten die Dramatik. Der IHK-Fachkräftemonitor prognostiziere für Hessen 264.000 fehlende Fachkräfte bis zum Jahr 2028. Die demografische Entwicklung mit stagnierenden Zahlen von Schulabgängern und einer wachsenden Anzahl von Personen, die aus dem Berufsleben ausscheiden, würde diese Situation verschärfen.
Wirtschaftsbremse Fachkräftemangel
Bundesministerin Stark-Watzinger führte in ihrer Keynote aus, welchen Aktionsplan für Bildung die Politik verfolgt, um die Transformation zu gestalten und mit innovativen Ansätzen dazu beizutragen, die Fachkräfte in der Region zu sichern. „Es klafft eine Lücke am Arbeitsmarkt, die wir so weit wie möglich verkleinern müssen. Denn wir brauchen die Menschen, die Macherinnen und Macher von morgen: für die Energiewende, für den digitalen Wandel und für Wachstum und Wohlstand in unserem Land. Der Dialog von Wirtschaft und Politik ist dabei wichtiger denn je. Denn der Fachkräftemangel ist eine Wirtschaftsbremse. Die Bundesregierung und besonders das Bundesbildungsministerium wirkt ihm mit dem Startchancen-Programm, der Exzellenzinitiative Berufliche Bildung und dem neuen Fachkräfteeinwanderungsgesetz entgegen“, sagte die Bundesministerin.
Bei der anschließenden Podiumsrunde diskutierten die Experten aus der Region, die Ministerin und das Publikum, wie der Arbeitskräftebedarf in Stadt und Kreis Offenbach heute und zukünftig gedeckt werden kann und wie die Ausbildung für junge Menschen attraktiv bleibt. Moderator war IHK-Hauptgeschäftsführer Markus Weinbrenner.
Berufsorientierung forcieren
Matthias Derzbach, Leiter der Ausbildung bei Manroland Sheetfed GmbH in Offenbach, betonte die Rolle der dualen Ausbildung: „Ausbildung ist neben dem Zuzug aus dem Ausland das Instrument, dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Wer, wenn nicht wir in den Unternehmen kennt unseren eigenen Bedarf besser und kann die notwendigen Kompetenzen praxisnah vermitteln.“ Derzbach sprach sich dafür aus: „Die duale Ausbildung muss attraktiv bleiben. Wir müssen als Unternehmen dafür werben und die Vielfalt der Berufe aufzeigen. Die berufliche Orientierung in allen Schulformen und Altersklassen kann nicht früh genug anfangen. Die bundesweite Ausbildungskampagne Jetzt#könnenlernen, die Bildungsmessen oder Projekte wie die Nacht der Ausbildung sind hilfreiche Bausteine dabei. Ohne Motivation und Engagement der Jugendlichen fruchtet das jedoch nicht.“
Thomas Iser, Vorsitzender der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Offenbach, skizzierte zur Einwanderung von Fachkräften: „Die Gewinnung von Arbeitskräften aus dem Ausland ist alternativlos, wenn wir die derzeitig und zukünftig zunehmenden vakanten Stellen besetzen wollen. Der Arbeitgeber-Service der Agentur für Arbeit berät und unterstützt die Unternehmen dabei umfassend. Dennoch müssen wir bessere Rahmenbedingungen schaffen, die den deutschen Arbeitsmarkt für ausländische Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer attraktiv machen in Konkurrenz zu anderen Ländern. Die arbeits- und aufenthaltsrechtlichen Verfahren müssten weiter beschleunigt werden, indem man beispielsweise die ausländerrechtlichen Aufgaben in einer Ausländerbehörde in Hessen bündelt. Diese könnte in enger Zusammenarbeit mit den weiteren Beteiligten wie Kammern und Arbeitsagenturen zu schnelleren Entscheidungen kommen. Aber auch bei der Geschwindigkeit der Anerkennungsverfahren ist noch Luft nach oben. Es gilt zudem zu überlegen, ob die derzeit hohen sprachlichen Anforderungen zum Einstieg in einige Berufe angepasst werden sollten. Deutschkenntnisse könnten dann auch durch berufsbegleitende Qualifizierung ausgebaut werden.”
Willkommenskultur etablieren
Die IHK-Präsidentin fasste zum Abschluss zusammen: „Die Mammutaufgabe Arbeitskräftesicherung duldet keinen Zeitaufschub. Nur mit vereinten Kräften aller Akteure wird sie lösbar sein. Mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz hat die Bundesregierung die Weichen gestellt, damit Unternehmen leichter und schneller Fachkräfte aus Drittstaaten rekrutieren können. Schnelle, unbürokratische und digitale Umsetzung zusammen mit den Kommunen vor Ort ist nicht nur bei der Fachkräfteeinwanderung notwendig. Wir schenken der Politik gerne unser Vertrauen, dass die Digitalisierung der Visastellen wie angekündigt bis 2025 gelingt.“
Schoder-Steinmüller betonte: „Es ist eine gesellschaftliche Aufgabe, eine Willkommenskultur für ausländische Mitarbeitende zu schaffen, die ihren Namen verdient. Die IHK Offenbach am Main bietet den Unternehmen als Partnerin im Projekt ‚Hand in Hand for International Talents‘ ein Gesamtpaket zur Unterstützung – von der Suche über die Rekrutierung bis zur Integration von Fachkräften aus dem Ausland in den Unternehmen. Ausbildung und kontinuierliche Weiterqualifizierung, praxisnah und auf heute und zukünftig gefragte Kompetenzen gerichtet, sind und bleiben ein Garant für qualifizierte Arbeits- und Fachkräfte. Daran müssen wir mit allen Akteuren in der Region – Unternehmen, Schulen, Kommunen, Institutionen – gemeinsam weiterarbeiten. Von der Politik auf Bundesebene erwarten wir die Rahmenbedingungen, in denen die Umsetzung gelingen kann.“