Der neue Arbeitsmarkt

Der Fachkräftemangel wird in Unternehmerkreisen intensiv diskutiert. Oft ist sogar von einem allgemeinen Arbeitskräftemangel die Rede. Doch was bedeutet das für die Unternehmen und welche Lösungen gibt es?

Einige Zahlen veranschaulichen die Dimension: Laut dem Statistischen Bundesamt werden innerhalb der nächsten 15 Jahre 12,9 Millionen Erwerbspersonen das gesetzliche Rentenalter erreichen. Das sind 30 Prozent aller dem Arbeitsmarkt aktuell zur Verfügung stehenden Erwerbspersonen. Gleichzeitig befinden sich lediglich 8,7 Millionen Schülerinnen und Schüler an allgemeinbildenden Schulen*.

Die Differenz könnte durch Zuzug aus dem Ausland kompensiert werden. Allerdings finden qualifizierte Arbeitskräftemigration und Fachkräfteanwerbung bisher nur unzureichend statt. Komplexe und komplizierte behördliche Richtlinien – zum Beispiel zu Arbeitserlaubnis und Berufsanerkennung – behindern sie. Doch wir stehen im Wettbewerb mit anderen europäischen Staaten mit teilweise viel attraktiveren Modellen und niedrigeren Hürden für Fachkräfte.

Die Fakten liegen längst auf dem Tisch, aber ihre Brisanz wurde immer wieder in den Hintergrund gerückt. Tatsächlich entscheidet sich hier das Wohl von Wirtschaft und Gesellschaft. Wer soll die Renten der Babyboomer zahlen, wer für Gesundheitssystem und Pflege aufkommen? Wer wird unsere Kinder betreuen, erziehen und ausbilden?

Als reichten die Herausforderungen nicht, sehen sich die Unternehmen zukünftig mit weiteren ­Belastungen konfrontiert, wie zum Beispiel die Diskussion um eine generelle Vier-Tage-Woche oder die weitere Erhöhung des Mindestlohns.

Wie werden Unternehmen reagieren, die zu wenig Fach- oder Arbeitskräfte finden, während sie gleichzeitig durch hohe Steuern, hohe Lohn- und Lohnnebenkosten, hohe Energiekosten, erdrückende Bürokratie und die unabsehbaren Folgen der Dekarbonisierungsvorgaben belastet werden? Laut einer DIHK-Umfrage wollen 17 Prozent der Firmen ihre inländische Produktion wegen der hohen Energiepreise zurückfahren, acht Prozent die Produktion verlagern.

Viele Fragen, viel Unsicherheit, hohe gesellschaftliche Sprengkraft. Aber aktuell leider viel zu wenig Lösungen. Die Zeit drängt für eine offene Diskussion auf höchster politischer Ebene unter Einbeziehung der Unternehmerinnen und Unternehmer. Dafür braucht es die mutigsten, klügsten und durchsetzungsstärksten Köpfe des Landes.

Michael Grunwald
Geschäftsführer der Grunwald Display Solutions GmbH, Dreieich,
und Vizepräsident der IHK Offenbach am Main / Foto: IHK