Bürokratie reduzieren und Überregulierung vermeiden

Digitale Verwaltung wäre schneller und besser

Gastredner beim Offenbacher Dialog am 14. März 2024 in der IHK Offenbach am Main mit 80 Gästen war Prof. Dr. Thomas Meuche, Leiter des Kompetenzzentrums Digitale Verwaltung (KDV) der Hochschule Hof in Bayern. Er skizzierte den Weg und die notwendigen Veränderungsprozesse hin zu einer digitalen Verwaltung – eine Win-win-Perspektive für Unternehmen und Verwaltung.

Prof. Dr. Thomas Meuche im Dialog mit IHK-Hauptgeschäftsführer Markus Weinbrenner und dem Publikum beim ­Offenbacher Dialog. 

Foto: Hassel/IHK

IHK-Präsidentin Kirsten Schoder-Steinmüller begrüßte den Experten und Berater für Verwaltungsmodernisierung mit harten Fakten aus der Wirtschaft: „Versetzungsgefährdet – so lautet die Einschätzung der Unternehmen beim Stand der Digitalisierung der Verwaltung. Die Bewertung mit der Durchschnittsnote 4,3 bei der bundesweiten IHK-Digitalisierungsumfrage fällt alles andere als zufriedenstellend aus. Die Wirtschaftsfreundlichkeit der Verwaltung ist nach der Verfügbarkeit von Fachkräften der zweitwichtigste Standortfaktor für die Unternehmen in unserer Region – dies belegen die Ergebnisse der IHK-Standortumfrage 2023.“

Schoder-Steinmüller hob hervor: „Komplizierte Antragsvorgänge, langwierige Genehmigungsverfahren und fehlende digitale Schnittstellen zeigen einen besorgniserregenden Zustand der öffentlichen Verwaltung. Dieser hat sich für die Wirtschaft zu einem gravierenden Standortnachteil entwickelt.“

Meuche analysierte in seinem Impulsvortrag die Ausgangslage und erläuterte, was erforderlich sei, um zukünftig funktionierende digitale und transparente Prozesse im Verwaltungshandeln zu realisieren. „Eine in der Kultur der Verwaltung begründete Vermeidung von Risiken und die damit einhergehende mangelnde Nutzung von Ermessensspielräumen in der Umsetzung sind derzeit wesentliche Hürden für grundlegende Veränderungen“, erklärte er. Für ihn sind die Daten der Dreh- und Angelpunkt für die Zukunft. „80 Prozent der Verwaltungsprozesse greifen auf identische Daten zurück. Die Vielzahl der Prozesse erzeugen keine neuen Daten. Ein Abbau unnötiger Verfahren wird nur mit einer sinnvollen Vernetzung und konsistenten Daten möglich sein. Der ‚Gamechanger‘ beim Bürokratieabbau ist daher die Datenstruktur. Datenflüsse und die Verfügbarkeit müssen klar definiert sein. Bevor diese Basisarbeit nicht gemacht ist, brauchen wir über den Nutzen von KI nicht zu diskutieren“, betonte der Referent.

Erst Prozesse anpassen, dann digitalisieren

Er sprach sich dafür aus: „Digitalisierung ist kein Selbstzweck. Sie muss zu besseren Leistungen und mehr Effizienz führen. Dafür müssen Strukturen und Prozesse in der Verwaltung angepasst werden. Das erfordert bei allen Akteuren ein breites Verständnis und neue Kompetenzen im Umgang mit Daten.“

Die anschließende Publikumsrunde moderierte IHK-Hauptgeschäftsführer Markus Weinbrenner. Er griff Beispiele und Erfahrungen aus dem Publikum auf – von der Gewerbean- und -ummeldung über Verfahren zur Baugenehmigung bis zur Beantragung von kommunalen Genehmigungen. In allen Themen zeigte sich der drängende Bedarf, Prozesse zu verschlanken und transparenter zu machen sowie auf bereits verfügbare Daten zurückzugreifen. Erste Beispiele in der Zusammenarbeit von Kommune und Unternehmen bestätigten, dass etwa die digitale Bauakte mit einem einfacheren Verfahren und einem jederzeit nachvollziehbaren Sachstand deutliche Vorteile für alle Prozessbeteiligten mit sich bringt.

Ermessensspielräume nutzen

Die IHK-Präsidentin zog zum Abschluss folgendes Fazit: „Es braucht kluge Konzepte, mit denen nicht nur kurzfristig Staub aufgewirbelt wird, sondern die Verwaltung dauerhaft vom Staub der Vergangenheit befreit werden kann. Wir benötigen die politische Power, um dem deutschen Reflex der Regelungswut widerstehen zu können. Gesetze dürfen nicht als Zwangskorsett missbraucht werden, das so eng geschnürt wird, dass der unternehmerischen Freiheit die Luft zum Atmen genommen wird. Und es muss verlässliche Vorbilder in der Verwaltung geben, die keine Angst vor falschen Entscheidungen haben. Stattdessen sollten Ermessensspielräume mutig genutzt werden. Dazu gehört auch eine andere Fehlerkultur in unseren Behörden.“