Nachhaltigkeitsberichterstattung wird alle Unternehmen treffen

Damit Berichterstatten schneller und besser geht

Auch kleine und mittlere Unternehmen (KMU) müssen sich oft mit Nachhaltigkeitsberichterstattung auseinandersetzen. Um sie zu entlasten, hat die EU im Januar 2024 einen ersten Entwurf zum „Voluntary SME-Standard“ (VSME) vorgelegt. Mit dem freiwilligen Instrument sollen KMU ihre Nachhaltigkeitsziele und -projekte einfacher dokumentieren können.

Foto: Adobe Stock – Song_about_summer

Ob REACH (Verordnung zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung von Chemikalien) oder RoHS (Richtlinie zur Beschränkung der Verwendung bestimmter gefährlicher Stoffe in Elektro- und Elektronikgeräten), schon in der Vergangenheit wurden Unternehmen mit – zumeist sinnlosen – Fragebögen geflutet, mit denen irgendwelche Compliance-Manager dokumentieren wollten, dass auch die vor- und nachgelagerte Lieferkette sich rechtskonform verhält. Während diese Flut leider noch immer nicht verebbt ist, türmen sich draußen auf dem Meer schon die nächsten, noch größeren Wellen, wie etwa das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz oder die EU-Entwaldungsverordnung. Beide Normen sind Beispiele dafür, dass vor allem der europäische Gesetzgeber mehr und mehr dazu übergeht, alle Wirtschaftsakteure in einer Lieferkette zu aktivem Tun zu verpflichten, nicht mehr nur den sogenannten „Erstinverkehrbringer“.

Nicht weit dahinter, schon in sichtbarer Entfernung, kommt dann die Monsterwelle, die „Corporate Sustainability Reporting Directive“ (CSRD), die europäische Richtlinie zur unternehmerischen Nachhaltigkeitsberichterstattung. Sie ist eigentlich nichts Neues. Schon seit dem Geschäftsjahr 2017 sind in Deutschland große, kapitalmarktorientierte Unternehmen sowie Banken und Versicherungen dazu verpflichtet, eine sogenannte nichtfinanzielle Erklärung zu erstellen. Betroffen davon sind in Deutschland bislang rund 500 Unternehmen. Aber mit der Novellierung der Richtlinie im Jahr 2022 wurden die Schwellenwerte für Mitarbeiterzahl und Umsatz deutlich abgesenkt und damit der Kreis der betroffenen Unternehmen erheblich ausgeweitet. So unterliegen ab dem Geschäftsjahr 2026 auch börsennotierte kleine und mittelgroße Unternehmen den Verpflichtungen der Richtlinie.

Das wird alle Unternehmen treffen

Einhergehend mit der Ausweitung des Betroffenenkreises wird die Pflicht zur Berichterstattung über Risiken und Chancen sowie über ökologische und soziale Auswirkungen auch in die Liefer- und Wertschöpfungsketten ausgeweitet. Das bedeutet, auch nicht kapitalmarktorientierte kleinste, kleine und mittlere Unternehmen, die von der gesetzlichen Pflicht, einen Nachhaltigkeitsbericht zu erstellen, nicht erfasst sind, werden künftig in vielen Fällen von ihren Geschäftspartnern und Kunden aufgefordert, Nachhaltigkeitsinformationen bereitzustellen. Welche Informationen angefordert werden, wird sich vermutlich von Unternehmen zu Unternehmen unterscheiden. Wie kann man sich darauf vorbereiten?

Es gibt bis heute zahlreiche freiwillige Nachhaltigkeitsberichtsstandards, wie den GRI, UN Global Compact, DNK oder ISO. Aber für die CSRD hat sich die Europäische Kommission etwas Eigenes ausgedacht und, zumindest für die berichtspflichtigen Unternehmen, auch bindend gemacht, den European Sustainability Reporting Standard (ESRS). Genau genommen ist das nicht ein Standard, sondern es sind deren zwölf, nämlich zwei allgemeine Standards, fünf für den Bereich Umwelt, vier soziale und ein Governance-Standard. Insgesamt hat die entsprechende Delegierte Verordnung (EU) 2023/2772 schlanke 280 Seiten. Damit aber nicht genug! Daneben wird es für die Wirtschaftsbereiche Land- und Forstwirtschaft und Fischerei, für den Bergbau, für Öl- und Gasgewinnung sowie für den Straßentransport noch zusätzliche, sektorspezifische Nachhaltigkeitsstandards geben, die derzeit erarbeitet werden. 

Dass ein solcher Wust von einem ab 2027 berichtspflichtigen börsennotierten KMU unmöglich zu bewältigen ist, ist selbst der EU-Kommission aufgefallen. Daher wird es für diese berichtspflichtigen Unternehmen eine abgespeckte Version des ESRS geben, nämlich den ESRS LSME (ESRS für „Listed Small- and Medium-sized Enterprises“). Der derzeitige Entwurf ist zwar schon etwas schmaler als der ESRS, mit 188 Seiten ist er aber immer noch zu dick, um ihn unters Kopfkissen zu legen.

Die abgespeckte Version

Es werden sich sicherlich auch die wenigsten nicht berichtspflichtigen KMU dieses Leid freiwillig antun wollen. Daher wird es – auch auf Drängen der IHK-Organisation – eine sehr viel mehr abgespeckte Version der abgespeckten Version geben, den VSME-Standard („V“ für voluntary, also freiwillig). Der VSME soll nicht verbindlich sein, sondern eben eine „freiwillige“ Alternative zu den individuellen Fragebögen bieten, die viele KMU von berichtspflichtigen Unternehmen erhalten. 

Der VSME-Standard liegt in einem ersten Entwurf vor und wird gerade in einem Feldversuch mit ausgewählten KMU getestet und zugleich öffentlich konsultiert. Er ist modular aufgebaut und tatsächlich auf die notwendigsten Informationen reduziert. So enthält das Basismodul gerade einmal 30 Datenpunkte. Das heißt aber nicht, dass Unternehmen, die den Standard nutzen möchten, da keine Arbeit reinstecken müssen. Denn einer der ersten Datenpunkte ist das Thema CO2-Bilanz.

Nach der Konsultation wird der Standard mit den Erfahrungen aus dem Feldversuch noch einmal überarbeitet und abschließend von der EU-Kommission als „Empfehlung“ veröffentlicht. Über die Details des Standards wird die IHK Offenbach am Main rechtzeitig informieren. Bis dahin können und sollten sich alle Unternehmen schon einmal mit dem ersten Schritt beschäftigen, nämlich der CO2-Bilanzierung.

Mehr Infos

Kostenloses Tool zur CO2-Bilanzierung:
www.klima-plattform.de/angebote/ecocockpit


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Donnerstag, 27. Juni 2024, 10:00 bis 11:30 Uhr, kostenpflichtig

www.offenbach.ihk.de/E14177

Kontakt

Peter Sülzen
Telefon 069 8207-244
suelzen@offenbach.ihk.de