IHK-Energiewende-Barometer

Betriebe bewerten den Standort immer kritischer

Das Vertrauen der deutschen Wirtschaft in die Energiepolitik ist auf einen Tiefpunkt ­gesunken. Das zeigt das Energiewende-Barometer 2023 der IHK-Organisation. 3.572 Unternehmen aus allen Branchen und Regionen haben sich daran beteiligt.

Grafik: DIHK

„Nie waren die Sorgen um die eigene Wettbewerbsfähigkeit größer“, sagte Achim Dercks, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), bei der Vorstellung der Umfrageergebnisse. „Während früher die Unternehmen auch Chancen in der Energiewende gesehen haben, überwiegen nun in der Einschätzung der gesamten Wirtschaft die Risiken“, berichtete er. „Weite Teile unserer Wirtschaft treibt die Sorge um eine auch mittel- und langfristig mangelhafte Energieversorgung stark um. Das ist eine insgesamt besorgniserregende Entwicklung, die wir alle sehr ernst nehmen sollten.“

Für 52 Prozent der Unternehmen wirkt sich die Energiewende sehr negativ oder negativ auf das eigene Geschäft aus, für nur 13 Prozent sehr positiv oder positiv. Im Saldo ergibt sich auf einer Skala von minus 100 (sehr negativ) bis plus 100 (sehr positiv) ein Barometerwert von minus 27. In den letzten beiden Jahren lag der Wert nur bei minus 7. Der bisherige Tiefstand von minus 13 im Jahr 2014 war die Folge von zusätzlichen Energie-Umlagen und Abgaben.

In der energieintensiven Industrie sehen sich sogar drei Viertel der Betriebe negativ oder sehr negativ betroffen. „Angesichts der hohen Bedeutung der Industrie für den gesamten Wirtschaftsstandort sind diese Werte alarmierend“, warnte Dercks. „Selbst in Branchen, die häufig unmittelbar von Aufträgen im Rahmen der Energiewende profitieren – etwa Bauwirtschaft und Dienstleistung –, trübt sich die Stimmung dem Barometer zufolge deutlich ein.“

Energiepolitik wird zum Trans­formationshemmnis

Ein zentraler Auslöser für die negativen Einschätzungen der Unternehmen sind die energiepolitischen Folgen des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine. „Diese Entwicklung erschwert die Umsetzung der Energiewende deutlich“, stellte Dercks klar. „Unsere Umfrage zeigt: Der Politik ist es bislang leider nicht nachhaltig gelungen, erfolgreich gegenzusteuern. Nach dem Energiepreisschock Ende letzten Jahres und dem relativ glimpflich verlaufenen Winter sind die Unternehmen zutiefst in Sorge, was die weitere Entwicklung angeht. Sie sehen ihre Wettbewerbsfähigkeit in Frage gestellt.“

Die Energiepreise blieben auf einem hohen Niveau, und es mangle an Perspektiven für die Wirtschaft in Deutschland, so das Resümee des stellvertretenden DIHK-Hauptgeschäftsführers. „Die zentralen Fragen sind nicht beantwortet.“

Fehlende Planbarkeit und Verlässlichkeit in der Energiepolitik rücken aus Sicht der Betriebe an die erste Stelle der Transformationshemmnisse. Knapp 60 Prozent der Unternehmen fühlen sich hierdurch ausgebremst. „Die Unternehmen sehen sich zunehmend mit Vorgaben konfrontiert, die in der Praxis kaum umsetzbar sind“, kritisierte Dercks. „Hinzu kommen Einsparziele aus dem Energieeffizienzgesetz, von denen niemand sagen kann, wie sie ohne ein Herunterfahren der Produktion erreicht werden können.“

Das schlägt sich im Barometer nieder: Drei Viertel der Unternehmen fahren ihre Investitionstätigkeiten zurück. In der energieintensiven Industrie schränkt fast die Hälfte der Firmen ihre Investitionen sogar in den Kernbereichen ein. „Das ist das Gegenteildes Investitionsaufschwungs, den wir zur Bewältigung der aktuellen Krisen und zur Beschleunigung der Transformation in Richtung Klimaneutralität brauchen“, sagte Dercks.

Energiewende verstärkt Abwanderung

In der Gesamtheit der Unternehmen überwiegen noch die Stimmen, die in Deutschland die Herausforderungen der Energiepolitik annehmen wollen. Die Standorttreue ist bei vielen Betrieben weiterhin stark ausgeprägt.

In der Industrie und hier besonders bei den großen Unternehmen nehmen jedoch die Pläne deutlich zu, dem Standort Deutschland den Rücken zu kehren. Fast ein Drittel der Industriebetriebe (32 Prozent) plant oder realisiert die Verlagerung von Kapazitäten ins Ausland beziehungsweise die Einschränkung ihrer Produktion im Inland – ein Zuwachs von 16 Prozentpunkten, also eine Verdopplung, gegenüber dem Vorjahr.

„Die Politik muss hier schnellstmöglich gegensteuern, um der Wirtschaft eine Perspektive in Deutschland zu erhalten“, mahnte Achim Dercks. „Die DIHK hat fünf Punkte erarbeitet, die die Energieversorgung der Unternehmen sichern. Die schnelle Umsetzung ist wichtig für den Standort Deutschland.“

Fünf Punkte für eine erfolgreiche Energiewende und einen stärkeren Standort:

Energiepreise durch höheres Angebot senken

  • Wasserstoff verfügbar machen
  • Planbarkeit erhöhen
  • Bürokratie abbauen
  • Stromnetze bauen

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