IHK Offenbach am Main im Austausch mit dem Hessischen Wirtschaftsminister
Damit sich Fachkräfte für Hessen entscheiden
Kaweh Mansoori, Hessischer Minister für Wirtschaft, Energie, Verkehr, Wohnen und ländlichen Raum und stellvertretender Ministerpräsident, spricht darüber, wie das Wohnen, Leben und Arbeiten in Hessen wieder attraktiver werden kann.
V. l. n. r.: Frank Achenbach und Birgit Arens von der IHK Offenbach am Main erfuhren von Kaweh Mansoori, was er beitragen will, um dem Fachkräftemangel in Hessen entgegenzuwirken.
Fotos: Amrei Pfeiffer/HMWVW
Birgit Arens: Herr Minister, der Fachkräftemangel ist für uns und sicher auch für Sie ein Thema, das wir ganz oben auf der Liste haben. In der Presse war zu lesen, dass Sie hier auf Frauen und Migranten setzen. Das klingt gut. Aber wir sehen da Hindernisse, ganz besonders, dass Wohnraum fehlt. Wo sollen die junge Mutter und der Facharbeiter mit Migrationshintergrund, die unsere Unternehmen einstellen wollen, wohnen? Was werden Sie tun, damit wieder mehr bezahlbare Wohnungen gebaut werden?
Kaweh Mansoori: In der Tat ist das Thema bezahlbares Wohnen ein zentraler Standortfaktor. Wir haben viele Leute, die wichtigen, systemrelevanten Berufen nachgehen, gute Arbeit machen, und sich am Ende des Monats die Mieten in dieser Form nicht leisten können. Aber es geht um Miete und um Wohneigentum. Wir haben als neue Landesregierung mit dem Hessengeld zum Beispiel eine Maßnahme auf den Weg gebracht, um die Eigentumsbildung zu erleichtern. Insgesamt müssen wir dafür sorgen, dass preisgünstiger gebaut werden kann. Für mich hat Priorität, die Bauwirtschaft anzukurbeln und dafür zu sorgen, dass bezahlbare Wohnungen entstehen. Steigenden Materialkosten, Zinsentwicklung und Baulandknappheit sind nur einige Hürden. Um die baurechtlichen Bedingungen insbesondere für den Wohnungsbau zu verbessern und die Bautätigkeit anzukurbeln, haben wir mehrere wichtige Initiativen gestartet. So wollen wir beispielsweise mit der Kommission Innovation im Bau das Baurecht modernisieren und entschlacken.
Frank Achenbach: Ich begleite das Thema schon lange und schon andere Minister haben gesagt: „Wir wollen an die Hessische Bauordnung ran“. Dann war es mehr Kosmetik. Was ich jetzt sehe, mit der Kommission, ist ein größerer Schritt. Trotzdem braucht es am Ende den politischen Mut, Veränderungen durchzusetzen. Wie mutig wollen Sie vorgehen?
Kaweh Mansoori: Ich habe die Rückendeckung der Koalition, dass das kein Reförmchen wird, sondern eine echte Reform. Es gibt bereits erste Bundesländer, die innovative Ansätze für das Bauen im Bestand bei der Fortschreibung ihrer Bauordnungen verfolgen. Ähnliche Lösungsansätze werden derzeit in der Kommission beraten. Ich werde in Kürze einen Termin mit dem niedersächsischen Wohnungsbauminister, dem Baugewerbe und der Bauindustrie aus beiden Bundesländern haben. Wir werden auch die Entwicklungen auf Bundesebene, die von Bauministerin Clara Geywitz angestoßen wurden, zum Anlass für Verbesserung auf Landesebene nehmen. Den im Bauvertragsrecht geschaffenen Voraussetzungen für einfachere Bauweisen wie dem Gebäudetyp E soll das Bauordnungsrecht nicht entgegenstehen. Indem wir Abweichungen vom geltenden Recht erleichtern, können im Einzelfall pragmatische und kostengünstigere Lösungen gefunden werden.
Damit soll den Bauherrschaften durch alternative Bauweisen ein einfacher Weg geboten werden, Baukosten zu sparen und niedrigere Mieten zu ermöglichen. Ich glaube, dass das für viele Menschen eine gute Alternative wäre.
Birgit Arens ist Chefredakteurin des IHK-Magazins Offenbacher Wirtschaft.
Birgit Arens: Menschen wünschen sich attraktive Wohn-, aber auch Lebensräume. In unseren Innenstädten und Ortskernen sieht es traurig aus. Es gibt viel Leerstand. Die IHKs versuchen zur Belebung der Zentren beizutragen, zum Beispiel durch die Initiative Heimat shoppen, für die Sie in Hessen Schirmherr sind. Wo sehen Sie Möglichkeiten, hier etwas zum Positiven zu wenden?
Kaweh Mansoori: Die Situation in den Innenstädten treibt mich massiv um. Wir haben in dem gemeinsamen Bündnis, an dem die IHKs beteiligt sind, klar formuliert: Es geht nicht nur um die Innenstadt als Wirtschaftsfaktor oder Handelsplatz, sondern um Begegnungsräume, wo sich unterschiedlichste Menschen treffen. Ich halte das für essenziell für unsere freiheitliche Demokratie. Es gibt vielfältige Initiativen, teilweise zusammen mit den IHKs, wie das Programm „Zukunft Innenstadt“ oder der Wettbewerb „Ab in die Mitte“, die niedrigschwellig Innovation fördern und kreative Ideen anregen. Schon mit kleinen Maßnahmen ist es möglich, öffentliche Räume enorm aufzuwerten. In dem Bündnis sprechen wir auch darüber, wie die Förderprogramme des Landes angepasst werden müssen und wo man in Zukunft Schwerpunkte setzt. Wir sammeln in ergebnisoffenen Prozessen kluge Ideen, wie es weitergeht. Ich glaube allen Akteuren ist bewusst, dass es für eine Gesellschaft nicht gut ist, wenn unterschiedliche Menschen sich nicht mehr begegnen, sondern unter sich bleiben.
Frank Achenbach: Beim letzten Bündnistreffen habe ich nachgefragt, wie es mit der Weiterführung von „Zukunft Innenstadt“ aussieht. Wird es eine weitere Förderungsrunde von Seiten des Landes geben?
Kaweh Mansoori: Wichtig ist, dass wir nicht nur Pläne machen, sondern am Ende auch etwas umsetzen. Es geht darum, klar zu identifizieren, was wir konkret machen wollen. Wir haben uns im Koalitionsvertrag vorgenommen, dass wir Modellregionen zum Ausprobieren etablieren. Die Veränderung in den Innenstädten hat teilweise mit verändertem Kaufverhalten und Online-Shopping zu tun. Auf Handelsseite geht es darum, Mehrwerte zu schaffen. Ich bin im Austausch mit dem Handelsverband, der sich Konzepte überlegt, um etwa ein bestimmtes Segment in einem Raum zu stärken, um einen echten Qualitätsvorsprung gegenüber dem Online-Shopping zu schaffen. Wenn es sich lohnt, weil ich da etwas bekomme, das es online gar nicht gibt, dann spielt auch der Preis nicht die zentrale Rolle.
Birgit Arens: Was meinen Sie konkret mit Segment?
Kaweh Mansoori: Schwerpunkt Schuhe vielleicht oder Schwerpunkt Küchenutensilien. Dass Sie als Kunde wissen, da gibt es auch ein besonderes Maß an Expertise. Das sind Lösungen, die sich die Wirtschaft überlegt. Die können wir politisch durch Maßnahmen der Städteplanung begleiten und indem wir eben Wohnen, Arbeiten hochwertige öffentliche Aufenthaltsräume, Gastronomie, Handel und Wirtschaft zusammenbringen. Manchmal bietet das geltende Recht nicht die Basis dafür, jede Idee umzusetzen. Da muss man auch bereit sein, Räume zum Experimentieren zu schaffen und die müssen ausfinanziert sein. Das ist in dieser Haushaltslage nicht einfach. Aber wir werden uns aus der gegenwärtigen Krise nicht heraussparen können.
Frank Achenbach: Ein Spezialthema ist die Sonntagsöffnung. Den ersten Schritt sind Sie gegangen. Wann kommt der zweite, schwierigere Schritt, der den Anlassbezug bei der Genehmigung von vier verkaufsoffenen Sonntagen im Jahr in den Innenstädten ermöglicht?
Kaweh Mansoori: Der Schritt, den wir jetzt gegangen sind bei den vollautomatisierten Verkaufsflächen, würde ich nicht einen ersten Schritt nennen, sondern einen sehr mutigen, also uns gleich an 24 Stunden zu orientieren. Ich finde es grundsätzlich mit Blick auf Vereinbarkeit von Familie und Beruf, nicht falsch, dass wir uns als Gesellschaft auf einen Tag verständigen, der grundsätzlich – soweit das möglich ist – frei von Arbeit sein soll. Eine Pause, um schöne Dinge zu machen, Ausflüge zu unternehmen.
Frank Achenbach gehört der Geschäftsführung der IHK Offenbach am Main an. Gleichzeitig koordiniert er das Thema Stadtentwicklung und Wohnen für die hessischen IHKs.
Frank Achenbach: … Essen zu gehen in der Gastronomie, wo dann Menschen arbeiten müssen. Es geht ja nicht um 365 Tage im Jahr, sondern um vier Sonntage.
Kaweh Mansoori: Wir haben uns im Koalitionsvertrag vorgenommen, die Sonntagsöffnung auf eine rechtssichere Grundlage zu stellen. Und das wird aller Voraussicht nach nicht anders gehen, als dass das Thema Anlassbezug anders geregelt wird, damit es nicht in jedem Einzelfall zu Streitigkeiten kommt, die dann vor Gericht ausgetragen werden. Für Verlässlichkeit zu sorgen, ohne die Sonntagsöffnung im großen Stil zu erweitern, das könnte ein Kompromiss sein, der gesellschaftlich versöhnt.
Birgit Arens: Wo auch die Chance besteht, dass die Arbeitnehmervertretungen und die Kirchen mitmachen?
Kaweh Mansoori: Das muss man dann sehen. Zum Gesetzesentwurf für die vollautomatisierten Verkaufsflächen ist meines Wissens von Kirchen und Gewerkschaften angekündigt worden, das rechtlich überprüfen zu lassen. Das muss man akzeptieren. Wir sind in einem Rechtsstaat und alles kann überprüft werden. Wir geben uns Mühe, einen möglichst breiten gesellschaftlichen Konsens herzustellen.
Birgit Arens: Wir sprechen viel darüber, wie die Menschen leben und was sie für Bedürfnisse haben. Dazu gehört auch, zügig von A nach B kommen. Das ist in unserem Ballungsraum nicht immer einfach, weder für Menschen noch für Waren. Schiene, Straße, Radwege – es gibt reichlich Verbesserungspotenzial, aber auch Finanzierungsgrenzen. Wie wollen Sie die hessische Verkehrsinfrastruktur zukunftsfähig aufstellen?
Kaweh Mansoori: Ich bin selbst in einer Flächenkommune groß geworden. In meinem Ortsteil ist der Bus sonntags viermal in die Kreisstadt Gießen gefahren. Jetzt lebe ich mitten in der Stadt Frankfurt. Da werde ich alle vier Minuten von der U 4 abgeholt. Die Lebenswirklichkeiten sind sehr unterschiedlich in Hessen. Aber alle Menschen haben einen Anspruch darauf, mobil zu sein. Und für die unterschiedlichen Bedarfe etwas anzubieten, das braucht eben auch eine Vielfalt in der Verkehrspolitik. Beim Auto wird es eher darum gehen, nachhaltigen Antriebstechnologien eine stärkere Chance zu geben, indem wir zum Beispiel die Ladeinfrastruktur für E-Mobilität stärker ausbauen. Je dichter besiedelt das Gebiet ist, desto stärker ist die Bedeutung des ÖPNVs, auch die der Schiene. Da spielen Preis und Verlässlichkeit eine große Rolle. Ich bin glühender Verfechter des Deutschlandtickets. Da werden zum ersten Mal Bus und Bahn aus der Perspektive der Fahrgäste gedacht, die nicht mehr überlegen müssen, gilt mein Ticket oder gilt es nicht? Wichtig ist vor allem, dass wir in der Infrastruktur Verlässlichkeit bieten. Moderne Individualmobilität da, wo wir nicht in der Taktzahl mit Bussen und Bahnen fahren können, Zwischenangebote wie Bürgerbusse und Ruf-Taxis, und einen guten, attraktiven, eng getakteten ÖPNV im dicht besiedelten Gebiet, so wird glaube ich das Verkehrsthema gelöst.
Frank Achenbach: Kriegen wir es auch finanziert?
Kaweh Mansoori: Wir müssen es finanzieren. Für die Wirtschaft spielt eine marode Verkehrsinfrastruktur eine Riesenrolle. Eines der schlimmsten Beispiele, das mir einfällt, ist die Bergshäuser Brücke in Nordhessen. Die wird vom Netz gehen, bevor die neue Brücke da ist. Das ist verkehrspolitisch und wirtschaftspolitisch eine Katastrophe. So etwas darf uns nicht passieren. Da wird Wohlstand vernichtet. Deswegen muss man jetzt im Zuge dieser ganzen Haushaltskonsolidierung sehr darauf achten, nicht an den falschen Ecken und Ende zu sparen. Sondern – soweit das möglich ist – Investitionen in die Infrastruktur sicherzustellen. Ich finde die Diskussion auf der Bundesebene, so etwas wie einen Infrastrukturfonds einzurichten, sehr sinnvoll. Damit könnten wir über Haushaltsperioden hinweg Mittel für die Zukunftsinvestitionen bereitstellen, die notwendig sind, damit die Wirtschaft wächst. Nur, wenn wir Wachstum generieren, ist sichergestellt, dass wir ausreichend Mittel haben für Förderprojekte und soziale Politik, die mir persönlich als Sozialdemokrat auch sehr wichtig ist.
Frank Achenbach: Wird das Geld auch für neue Projekte reichen? Die Regionaltangente West (RTW) ist zwar schon teilweise finanziert, aber es gibt ja noch andere Projekte, auch neue. Ihr Vorgänger hat den Schwerpunkt eher auf die Sanierung von Straßen und Eisenbahnstrecken gelegt. Sie haben eben die Vielfalt der Infrastruktur beschrieben.
Kaweh Mansoori: In der Finanzierung der Straßeninfrastruktur gilt weiterhin der Grundsatz Sanierung vor Neubau. Aber wir werden nicht gänzlich am Neubau von Infrastruktur vorbeikommen. Aus meiner Sicht ist die RTW ausfinanziert. Wir treiben jetzt das Planungsrecht für die Regionaltangente Ost (RTO) voran. Keine Metropole der Welt kann gut organisiert werden, was die Verkehrsströme betrifft, ohne dass sie einen Ringverkehr um die Kernstadt hat. Das Zentrum zu umfahren, ist notwendig, um die Pendlerströme von der Straße auf die Schiene zu bekommen. Deswegen sind das wichtige Investitionen, und viele Zukunftsprojekte werden auch dazu beitragen, an anderen Stellen wieder neue Kapazitäten zu schaffen. Die Kernidee etwa hinter dem Fernbahntunnel in Frankfurt ist ja, dass wir ein stückweit den Fernverkehr und den Nahverkehr voneinander trennen können und auf beiden Infrastrukturen für mehr Verlässlichkeit sorgen, weil unterschiedliche Geschwindigkeiten dann nicht auf der gleichen Struktur aufeinandertreffen. Das kann dann zum Beispiel Raum für eine Südtangente schaffen.
Seit dem 18. Januar 2024 ist der Jurist Kaweh Mansoori Hessischer Minister für Wirtschaft, Energie, Verkehr, Wohnen und ländlichen Raum sowie stellvertretender Ministerpräsident.
Frank Achenbach: Wenn es um neue Projekte geht, lautet die spannende Frage: Wie kann man erreichen, dass die politischen Entscheidungszeiten und die Planungs- und Genehmigungszeiten nicht ins Exorbitante steigen? Was kann ein hessischer Wirtschaftsminister dazu beitragen?
Kaweh Mansoori: Als Bundestagsabgeordneter habe ich viele Gesetze im Bereich der Planungs- und Genehmigungsbeschleunigung mit unterstützt. Manche Ideen sind kopierbar. Standardisierung spielt eine große Rolle. Wir haben das im Bereich erneuerbare Energien auf der Bundesebene gemacht. Das ist auch im Infrastrukturrecht denkbar. Wichtig ist, dass wir die Bürgerbeteiligung so aufstellen, dass sich die Menschen mitgenommen fühlen. Ein großer Teil der Verzögerung resultiert daraus, dass Infrastrukturprojekte bis in die letzte Instanz beklagt werden. Der Versuch, einen breitestmöglichen Konsens zu schaffen, ist eine Stellschraube, um schneller zu werden. Die Leute müssen sehen, dass ihre Argumente in irgendeiner Form Berücksichtigung finden. Das heißt nicht, dass der Staat immer so entscheidet, wie die Bürgerinitiative das fordert.
Birgit Arens: Das wird interessant bei der RTO nach den Reaktionen auf den ersten Aufschlag.
Kaweh Mansoori: Deswegen muss man sensibel reagieren, wenn die Leute sagen, diese Variante geht in dieser Form nicht. Sonst ist der Konflikt anschließend vorprogrammiert und der wird politisch nicht besser, indem ich dann den Instanzenzug straffe. Eine entscheidende Rolle für die Beschleunigung kommt der Modernisierung der Verwaltung zu. Einer der Gründe, warum es so lange dauert, solche Akten zu bewältigen, ist, dass sie analog geführt werden. Wir müssen Genehmigungsverfahren voll digitalisieren. Im Baurecht machen wir das jetzt in Hessen. Baugenehmigungsverfahren werden jetzt sukzessive komplett digital. Und dann müssen wir auch den Fachkräftemangel in der öffentlichen Verwaltung ansprechen. Im Rahmen der Beschleunigungskommission aus Bund und Ländern wurde identifiziert, dass wir etwas wie eine ebenenunabhängige In-House Consulting für den Staat aufbauen müssen, die bei unterschiedlichen Projekten unterstützen kann. Denn selbst, wenn wir es wollten, würden wir nicht genug Arbeits- und Fachkräfte finden, um in allen Behörden das Personal aufzustocken. Wir müssen überlegen, wie wir klug und effizient mit dem Personal umgehen, aus Kostengründen, aber auch, weil uns die Leute fehlen.
Frank Achenbach: Es gibt noch ein Seitenthema zur Mobilität. Besonders groß ist der Fachkräftemangel bei unseren Logistikunternehmen. Was kann man tun, um Menschen für die Verkehrsbranche, für die Logistikbranche zu begeistern?
Kaweh Mansoori: Wir haben einen runden Tisch, wo es primär um die Personalbedarfe im Busverkehr geht. Aber die Erkenntnisse, die wir da sammeln, sind für die Verkehrsbranche insgesamt von großer Relevanz. Ich glaube, wir müssen deutlich schneller werden bei der Integration von Arbeitskräften aus dem Ausland. Der Erwerb der Sprache muss schneller gehen, Führerscheine müssen möglicherweise schneller anerkannt werden. Ich will es aber verknüpfen mit anderen Zuständigkeiten, die ich habe. Es ist gerade ein neuer Tarifvertrag für den Busbereich abgeschlossen worden. Da liegt der Lohneckwert bei 20,14 Euro. Die frei finanzierte Wohnung in Frankfurt kostet den Quadratmeter 19 bis 20 Euro. Wie soll ein Busfahrer von dem Gehalt so eine Wohnung bezahlen? Deswegen müssen wir im niedrigpreisigen Segment Wohnungen anbieten. Ich würde gerne mit den großen Arbeitgebern der Region darüber sprechen, was wir tun müssen, damit die sich stärker im Bau von Werkswohnungen betätigen. Vielleicht ist die neue Wohnungsgemeinnützigkeit, die der Bund auf den Weg bringt, ein Schlüssel, um über dieses Thema ins Gespräch zu kommen. Tochtergesellschaften von Unternehmen, die keinen anderen Zweck verfolgen, als preisgünstige Wohnungen für die eigenen Beschäftigten zur Verfügung zu stellen und damit gar kein Geld verdienen wollen, könnten zumindest steuerbegünstigt gestellt werden, damit daraus ein Geschäftsmodell werden kann, das sich wirtschaftlich trägt. Nur wenn wir diese unterschiedlichen Ansätze zusammenbringen: einfaches Baurecht, geförderten Wohnungsbau, aber auch Werkswohnungen für Betriebsangehörige, werden Menschen, die 20 Euro die Stunde verdienen, Wohnungen finden, sich in der Region ansiedeln und Lkw und Busse fahren.
Birgit Arens: … und in den Städten einkaufen, sich begegnen – hier schließt sich der Kreis. Das bringt uns zu der Frage, was für Sie als Radikal-Pragmatiker, wie sie sich selbst nennen, so wichtig ist, dass Sie damit gleich anfangen wollen?
Kaweh Mansoori: Wir packen vieles gleichzeitig an, weil es gleiche Prioritäten hat. Mit Blick auf die wirtschaftliche Lage hat die Bauwirtschaft eine große Chance, insgesamt die Konjunktur zu verbessern. Deswegen haben wir ganz schnell die Kommission Innovation im Bau eingesetzt. Ich glaube an den Effekt von einfacherem Baurecht und wir werden dafür zeitnah erste Vorschläge auf den Tisch legen. Ich habe auch früh die gleichzeitige Entbürokratisierung des Tariftreue- und Vergaberechts in Hessen und die Verbindung mit guter Arbeit und fairen Löhnen verknüpft. Da werde ich den Gesetzentwurf noch in diesem Jahr präsentieren. Das Ziel ist, dass die Eintrittshürden für Unternehmen leichter werden, dass die Bürokratie abgebaut wird, dass der Anwendungsbereich des Gesetzes kleiner wird und wir dort, wo das Gesetz Anwendung findet, insgesamt für fairen Wettbewerb sorgen. Es kann nicht sein, dass Bauunternehmen in Hessen Steuern zahlen und diese Bauaufträge finanzieren, sich aber anschließend nicht darauf bewerben können, weil sie immer unterboten werden von anderen, die sich nicht an die Löhne halten, die hier bei uns bezahlt werden. Das zusammenzubringen ist Ziel des Gesetzes und das sind zwei gewichtige Beispiele, wo wir in diesem Jahr noch Antworten geben.
Birgit Arens: Wir freuen uns darauf und bedanken uns sehr für das Gespräch.