Fachkräfteeinwanderungsgesetz 2.0

Den Fachkräftemangel besser in den Griff bekommen

Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz (FEG) wurde geändert, damit Menschen ­leichter und schneller nach Deutschland kommen können, um hier zu arbeiten.

Fachkräfte zu finden, ist auch für Unternehmen in der Region Offenbach eine der größten Herausforderungen. Mit dem neuen Fachkräfteeinwanderungsgesetz soll es leichter werden, geeignetes Personal im Ausland zu rekrutieren.

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Die Verfügbarkeit von Fachkräften ist laut der IHK-Standortumfrage vom November 2023 für 80 Prozent der Betriebe in der Region das zentrale Thema. Gleichzeitig bewerten sie die Zufriedenheit mit der Verfügbarkeit von Personal am Standort nur mit einer 4,2 (Schulnotensystem). Wie eklatant der Fachkräftemangel allein in Hessen ist, verdeutlichen aktuelle Berechnungen des Instituts für Wirtschaft, Arbeit und Kultur (IWAK) der Goethe-Universität Frankfurt: In den nächsten vier Jahren wird danach der hessische Fachkräftebedarf um 200.000 Arbeitskräfte wachsen. Bis 2035 geht das Institut von einer Fachkräftelücke von 523.000 Personen aus. Auch deutschlandweit ist der Fachkräftemangel die größte Herausforderung in den Unternehmen.

Durch die Novellierungen des FEG sollen Hürden abgebaut und Prozesse vereinfacht werden. Für Fachkräfte aus Drittstaaten soll Deutschland als Land zum Leben und Arbeiten attraktiver werden. Betriebe sollen es leichter haben, diese Fachkräfte zu beschäftigen.

Drei Säulen für mehr Fachkräfte

Die Änderungen erfolgen über drei Säulen: die Fachkräftesäule, die Potenzialsäule und die Erfahrungssäule. Damit wurde das bestehende Gesetz um gänzlich neue Wege der Einwanderung erweitert.

Die Fachkräftesäule erlaubt mehr Flexibilität beim Einsatzgebiet in Deutschland. Die Berufsqualifikation ist nicht mehr ausschlaggebend für die Tätigkeit, die vor Ort ausgeübt wird. Voraussetzung ist nur noch, dass es eine qualifizierte Tätigkeit ist. Somit kann eine voll anerkannte Fachkraft in jedem nicht reglementierten Beruf arbeiten. Dies erleichtert Unternehmen die Suche vor allem hinsichtlich spezialisierter Berufe wie beispielsweise dem Spezialitätenkoch. Über die Erfahrungssäule ist es nun möglich, dass Fachkräfte mit einer einschlägigen zweijährigen Berufserfahrung und einer staatlich anerkannten mindestens zweijährigen Ausbildung im Heimatland zur Arbeitsaufnahme nach Deutschland einreisen. Ein Durchlaufen des Anerkennungsprozesses ist hier keine Voraussetzung mehr, um ein Visum zu erhalten. Das kann Zeit ersparen. Eine Mindestgehaltsgrenze ist Voraussetzung, Deutschkenntnisse hingegen nicht. Dies wird in die Hände des Arbeitgebers gelegt. Die Sprachkenntnisse können erst nach Einreise, wenn die Beschäftigung bereits aufgenommen wurde, erlernt beziehungsweise weiter gefördert werden.

So ist es auch, wenn im Drittstaat bereits ein Anerkennungsprozess gestartet, aber nur eine teilweise Anerkennung bescheinigt wurde. Das Unternehmen kann eine sogenannte Anerkennungspartnerschaft mit der Person eingehen, die bei der Visaantragstellung nachgewiesen wird. Damit verpflichtet sich das Unternehmen, die Person über die Dauer der Anpassungsmaßnahmen zur vollen Gleichwertigkeit einzustellen und zu fördern. Hier wird der Vorteil gesehen, dass diese Phase der Anpassungsqualifizierungsmaßnahme gut als gegenseitiges Kennenlernen genutzt werden kann. Der Aufenthaltstitel der Fachkraft wird zunächst für ein Jahr ausgestellt und kann verlängert werden.

Bei der Potenzialsäule handelt es sich um ein Konzept, das an das kanadische erinnert. Die sogenannte Chancenkarte tritt im Juni 2024 in Kraft. Damit können Menschen zur Arbeitsplatzsuche für maximal ein Jahr nach Deutschland reisen. Grundlage ist ein Punktesystem etwa für Sprachkenntnisse, Berufserfahrung, Alter oder Deutschlandbezug. Auch hier ist eine im Heimatland staatlich anerkannte Berufsausbildung Grundvoraussetzung, um mindestens sechs Punkte zu sammeln. Interessant für Unternehmen: Während der Arbeitsplatzsuche über die Chancenkarte sind Probearbeiten und Nebenbeschäftigungen erlaubt.

Das Visum für Akademiker, die Blaue Karte EU, wurde durch die Absenkung der Gehaltsgrenze zugänglicher gemacht.

Regeln für Azubis

Auch Ausbildungsstellen sind immer schwieriger zu besetzen. Die Novellierung FEG ermöglicht es weiteren Personengruppen, eine Ausbildung in Deutschland auszuüben, denn die Altersgrenze wurde auf 35 Jahre erhöht und außerdem das Kontingent für bestimmte Länder (Westbalkan).

„Mit der Novellierung des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes macht die Bundesregierung einen wichtigen Schritt in Richtung Einwanderungsland. Wir als Ausländerbehörde stellen uns darauf ein, indem wir bereits seit Einführung des beschleunigten Fachkräfteverfahrens für diese Belange ein spezialisiertes Team einsetzen. So können Anliegen effizienter bearbeitet werden“, erklärt Clemens Mickler, Leiter des Ausländeramtes der Stadt Offenbach. 

Welcher Weg ist der beste?

Es gibt viele Einzelstellen, die Unterstützungs- und Informationsmöglichkeiten für Betriebe und Zugewanderte anbieten. Die IHK Offenbach am Main sieht sich als Begleiterin in diesem Prozess.

„Wir bündeln Angebote und Informationen und bauen Netzwerke auf, um unsere Mitgliedsunternehmen zu unterstützen, sich zurechtzufinden. Es stellen sich viele Fragen: Was ist der richtige Weg, wo muss ich suchen und was gibt es zu beachten? Wir stehen mit Rat und Tat zur Seite, von der Rekrutierung bis zur Integration“, erklärt Anna Strohmann, Fachkräfteberaterin bei der IHK Offenbach am Main.

Neben der Beratung bietet die IHK auch konkrete Hilfestellung an. Seit 2023 beteiligt sie sich am Pilotprojekt „Hand in Hand for International Talents“. Das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) geförderte Projekt rekrutiert voll anerkannte Fachkräfte aus Indien, Brasilien und Vietnam. Es organisiert Vorstellungsgespräche und begleitet Fachkraft und Unternehmen bis zum Ankommen im Betrieb.

Im Rahmen des weiteren Projekts UBA Connect können sich Unternehmen kostenfrei in einer Datenbank registrieren und in einen Pool an Fachkräften mit einer teilweisen Anerkennung Einblick erhalten.

Unternehmen sind zuversichtlich

Die TY-Academy Gruppe aus Dreieich ist darauf spezialisiert, professionelle Fachkräfte und motivierte Auszubildende aus Vietnam für den Einsatz in den Bereichen Pflege, Hotellerie, Gastronomie, Industrie, Handwerk und IT in Deutschland zu identifizieren. Unternehmensvertreter Toan Nguyen begrüßt die Novellierung: „Um dem aktuellen Fachkräftemangel in Deutschland entgegenzuwirken, ist die Rekrutierung von Fachkräften und Auszubildenden aus dem Ausland auch für die Stadt und den Kreis Offenbach essenziell wichtig. Wir haben sehr gute Erfahrungen mit Kandidaten aus Vietnam gemacht, die durch eine hohe Motivation und Leistungsbereitschaft ein Zugewinn für ihre deutschen Arbeitgeber sind. Wir, die TY-Academy, unterstützen deutsche Unternehmen ganzheitlich bei der Anwerbung und Integration von Azubis und Fachkräften. Durch die Neuerungen im FEG ergeben sich neue Formen der Fachkräftezuwanderung. Vor allem bei der Anerkennungspartnerschaft sehen wir viel Potenzial. Was aber nach wie vor ausschlaggebend für den Erfolg bleiben wird, ist eine hohe sprachliche Qualifizierung im Heimatland. Gleichzeitig braucht es eine enge Betreuung während des ganzen Prozesses und vor allem nach der Ankunft in Deutschland, um sie beim Ankommen in ihrer neuen Heimat zu unterstützen.“

Redwana Hildebrandt, Geschäftsführerin der GEFINAL Blech- und Stahlbau GmbH in Mainhausen, erklärt: „Wir haben einen Bedarf an zum Teil sehr spezialisierten Fachkräften, und die Verfügbarkeit von qualifizierten und motivierten Mitarbeitern nimmt auf dem deutschen Arbeitsmarkt stetig ab. Obwohl das Recruiting und die Integration ausländischer Mitarbeiter mit Aufwand verbunden sind, habe ich mich für diesen Weg als zusätzlichen Baustein in der Recruiting-Strategie entschieden. Offene Stellen werden nachhaltig besetzt und wir profitieren von frischen Impulsen, neuen Ideen und Herangehensweisen seitens der ausländischen Fachkraft. Der wichtigste Punkt ist: dranbleiben. Das Verfahren ist aufwändig und es werden vielfältige Dokumente von der Fachkraft gefordert. Als Arbeitgeber bin ich der zentrale Ansprechpartner sowohl für die Ausländerbehörde als auch für die Fachkraft. Hier gilt es von beiden Seiten die Unterlagen einzufordern, zu prüfen und die Koordination und Kommunikation zu übernehmen.“

Kontakt

Anna Strohmann
Telefon 069 8207-156
strohmann@offenbach.ihk.de