Zuverlässiger Schutz in schwierigen Situationen
Viel mehr als ein Zelt
Ein Start-up mit Sitz in Offenbach wurde im vergangenen Herbst mit dem Hessischen Gründerpreis in der Kategorie Gründung aus der Hochschule ausgezeichnet, weil es eine temporäre Unterkunft mit neuartigen, überzeugenden Eigenschaften erfunden hat.
Zelthaus ist ein modulares Faltsystem, das ohne Vorkenntnisse und Werkzeug aufgebaut werden kann. / Foto: Zelthaus
Alles begann 2016, als Marius Mersinger und Jonas Eiden vor Ort in Griechenland sahen, wie katastrophal geflüchtete Menschen im Lager Idomeni untergebracht wurden: nämlich kaum vor Klimaeinflüssen geschützt in nicht isolierten Notunterkünften. „Für den Aufbau braucht selbst geschultes Personal mehrere Stunden, und das Material, aus dem sie hergestellt sind, belastet die Umwelt“, sagt Mersinger. Er hat Architektur studiert, ist gelernter Dachdecker und staatlich geprüfter Techniker für Hochbau. Eiden ist Intermedia Designer, freiberuflicher Video-/Fotograf und Dozent an der Hochschule Trier.
Die beiden überlegten, welchen Anforderungen Notunterkünfte unbedingt gerecht werden sollten, und begannen mit der Suche nach einer besseren Lösung. Eine solche Behausung muss bei jedem Wetter und zu jeder Jahreszeit Schutz bieten. Deshalb ist Dämmung ein wichtiges Thema. Transport und Aufbau müssen unkompliziert sein. Ideal ist es, wenn die Unterkunft je nach Einsatz in unterschiedlichen Größen errichtet werden kann. Darüber hinaus ist Nachhaltigkeit gefordert.
Leichte Konstruktion zum Falten
Auf der Basis der Überlegungen entwickelte Mersinger an der Frankfurt University of Applied Sciences (FRA UAS) zusammen mit Professorin Claudia Lüling, die Entwerfen und Gestalten lehrt, das „zeltHaus“. „Da es leicht und modular ist, kann es an den jeweiligen Bedarf angepasst werden. Dank eines innovativen Faltsystems ist es ohne jegliche Vorkenntnisse oder Werkzeug in weniger als einer Stunde aufgebaut“, versichert Mersinger. Für den speziellen Faltmechanismus liegt ein Gebrauchsmusterschutz vor. Zum Transport wird es kompakt zusammengelegt.
Das Material geht auf Forschungen an der FRA UAS zurück und wird aus recycelten PET-Flaschen hergestellt. Es kann wiederverwendet oder erneut recycelt werden. Etwa 16.000 Flaschen werden für eine Unterkunft benötigt. Der Ressourcenkreislauf garantiert Umweltschutz und nachhaltiges Bauen. Neu ist, dass Textilien und ein Konstruktionsschaumstoff verbunden werden, die beide aus recyceltem PET bestehen. Die Kombination ermöglicht eine leichte, selbsttragende Konstruktion mit guter Isolierung. Sie dämmt und schützt vor Nässe, Kälte oder Hitze.
Zum Zelthaus-Team gehören auch Michelle Gallinari, die BWL studiert und für die Finanzen zuständig ist, sowie Fabian Hegner, der mit Eiden eine Marketingstrategie und eine visuelle Marke erarbeitet. Als Gemeinschaftsaufgabe verstehen es die vier, das Unternehmen voranzubringen und ein Vertriebsnetz aufzubauen. Bis Ende Dezember 2020 wurde das Start-up mit dem Gründungsstipendium Hessen Ideen gefördert.
(v. l.) Fabian Hegner, Marius Mersinger und Jonas Eiden sowie Michelle Gallinari (nicht abgebildet) haben 2020 den Hessischen Gründerpreis gewonnen. / Foto: Zelthaus
Menschen und Umwelt im Blick
„Wir verbessern die Zeltunterkunft fortlaufend weiter. Dabei hilft uns ein enger Austausch mit Hilfsorganisationen und Nichtregierungsorganisationen, die schon reichlich Erfahrungen im Umgang mit Krisen gemacht haben“, erklärt Hegner. Langfristig verfolge das Team die Vision, die internationale Hilfe zu optimieren. Konkret erklärt er: „Unser primäres Ziel ist es, die Lebensumstände von Menschen in Notsituationen zu verbessern und humani-tärer zu gestalten. Gleichzeitig haben wir einen hohen Anspruch an Nachhaltigkeit und Ökologie.“ Mit einem belgischen Hersteller von nachhaltigem, recyceltem PET-Schaum für Struktur und Dämmung arbeiten die Gründer momentan an einem Prototyp. Das Unternehmen war schon an der Entwicklung des Materials maßgeblich beteiligt.
Dass seine Eigenschaften das Zelthaus auch für andere Einsatzmöglichkeiten prädestinieren, ist ein willkommener Nebeneffekt. „Diese einfach zu errichtende, komfortable Unterkunft ist zum Beispiel auch für Messen, Festivals und Reisen sehr gut geeignet“, sagt Eiden.
Autorin
Birgit Arens-Dürr
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