Der Blick in die Vergangenheit gibt Orientierung
Mit Geschichte in die Zukunft
Das Hessische Wirtschaftsarchiv zeigt, warum die Historie für das heutige Management nützlich ist.
Eine lebendige Geschichtskultur kann zur Stärkung der Identität eines Wirtschaftsraums beitragen und ebenso zum Gemeinschaftsgefühl in Unternehmen. / Foto: stock.adobe – Mary Evans Picture Library 2017
Das Jubiläum der IHK Offenbach am Main ist ein passender Anlass für einen stolzen Blick in die Geschichte. Die Offenbacher Wirtschaft baut auf festen Werten auf und steht seit nun zwei Jahrhunderten für ein innovatives Unternehmertum. Gemeinsam hat man viele gute, aber auch schlechte Zeiten durchlebt. Die Corona-Pandemie oder die Finanzkrise 2008 zeigen, wie wechselvoll die Wirtschaftsgeschichte ist. Daher kann die Beschäftigung mit der eigenen Vergangenheit mehr sein als nur schmückendes Beiwerk für die Feierlichkeiten: Das Gestern erfüllt ganz konkrete Funktionen für das Management von heute.
Geschichte schärft Identität und Image. In einem Wirtschaftsraum wie Offenbach hilft eine lebendige Geschichtskultur, die Identität zu stärken. Sie schafft Vertrauen und ermutigt zur Kooperation. Wie schon in den Gründerzeiten der Leder- und Druckindustrie ist auch in der heute unsicheren Gegenwart die Verlässlichkeit der regionalen Lieferanten, der Vertriebspartner und Kunden eine Grundfeste. Die gemeinsame Vergangenheit verdeutlicht, dass stabile lokale Ankerpunkte im zunehmend globalen Wettbewerb enorm wertvoll sind. Zugleich sind die historisch gewachsenen Informations-, Innovations- und Wissensnetzwerke entscheidend für die Zukunftspotenziale einer Region. Je stärker sich Unternehmen mit ihrem Standort identifizieren, desto selbstbewusster ist die Ausstrahlung nach außen. So verstetigt sich die gute Reputation und macht die Region attraktiv für Start-ups und Neuansiedlungen. Geschichte ist also der Kitt, der die regionalen Wirtschaftsstrukturen zusammenhält und ihnen ein unverkennbares Gesicht gibt.
Geschichte gibt Orientierung für ein „Management of Change“. Da Wirtschaftsentwicklung immer schon durch Umbrüche geprägt ist, kann sich das heutige Management diese Erfahrung zunutze machen. In die Vergangenheit zu blicken, hat somit wenig mit verklärter Traditionspflege gemein. Spannend ist eine Unternehmensgeschichte, wenn sie zeigt, wie vorige Generationen Wandel gemeistert haben. Was war nötig, um etwa die Fertigungsstrategie in den 1970er-Jahren an die Automatisierung anzupassen? Was heißt das für die Industrie 4.0? Wie hat das Unternehmen mittels Marketing und Internationalisierung neue Absatzmärkte erschlossen? Oder auch: Wie haben es Familienunternehmen über Generationen geschafft, ihren Bestand und die Nachfolge zu sichern? Schon oft in der Geschichte standen die Zeitgenossen vor der Aufgabe, mit Routinen zu brechen, um Herausforderungen zu bewältigen. Häufig steckt das Know-how für eine hohe Resilienz schon im historischen Erfahrungsschatz des eigenen Unternehmens. Man muss nur danach suchen.
Geschichte gestaltet die Unternehmenskultur. Viele Unternehmen investieren mittlerweile in die Geschichtsarbeit, um Sinn für gemeinsames Handeln zu stiften. Eine historisch fundierte „Corporate Culture“ vermag Mitarbeiter zu motivieren, Geschäftspartner und Kunden an das Unternehmen zu binden. Zugleich bietet die historische Kommunikation einen großen Fundus, um Attribute wie Tradition und Erfahrung, Qualität und Reputation nach außen zu vermitteln. Auch hier geht es also nicht um Geschichte(n) von früher, sondern um aktives Management.
Das Hessische Wirtschaftsarchiv (HWA) in Darmstadt bietet Unternehmen, die sich für das Instrument Unternehmensgeschichte interessieren, seit über 30 Jahren kompetente Hilfe an. Das Bild des Archivs als staubiger Keller passt längst nicht mehr. Als moderne Serviceeinrichtung aller hessischen IHKs und der Handwerkskammer Rhein-Main übernimmt, sichert und erschließt das HWA historische Akten- und Bildbestände von privaten Unternehmen des Landes. Das Ziel ist nicht allein, das Gedächtnis der hessischen Wirtschaft zu bewahren und damit Kulturgut zu erhalten. Vielmehr zeigt das HWA den Partnerunternehmen Wege auf, wie sich dieser Erfahrungsschatz einsetzen lässt. Das HWA arbeitet somit an der Schnittstelle zwischen unternehmerischer Praxis, wissenschaftlicher Forschung und Öffentlichkeitsarbeit – und dies entgeltlos. Hier macht Geschichte also Sinn – nicht nur für das nächste Jubiläum.
Autor
Dr. Ingo Köhler
Hessisches Wirtschaftsarchiv e.?V.
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