BMJV-Online-Klagetool
Keine Klagewelle in Sicht
Wir sind längst daran gewöhnt, viele unserer Angelegenheiten online zu erledigen. Wenn Ansprüche in einem Streitfall durchgesetzt werden sollen, ist das bisher nur eingeschränkt möglich. Aber 2021 hat das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) das Projekt zur digitalen Klageeinreichung gestartet.
Schon seit 2018, als das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) eingeführt wurde, können Anwälte und Anwältinnen sämtliche Schriftsätze nicht nur in Papierform, sondern auch digital bei Gericht einreichen. Die Praxis zeigt, dass auch die Gerichte von der Übermittlung per beA vermehrt Gebrauch machen. Darüber hinaus hat § 128a Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) in der Coronapandemie an Bedeutung gewonnen, da die Gerichte immer häufiger digitale Videoverhandlungen statt Präsenzverhandlungen bevorzugen. Das BMJV-Online-Klagetool würde die Gerichtspraxis weiter digitalisieren und modernisieren. Wir alle könnten Klagen digital einreichen, vorausgesetzt, es ist keine anwaltliche Unterstützung vorgeschrieben. Insbesondere vor Amtsgerichten, Arbeits- und Verwaltungsgerichten sowie Sozialgerichten ist eine Vertretung durch den Anwalt nicht erforderlich.
Ausgestaltung noch offen
Das BMJV hat sich noch nicht abschließend zu den Details des Online-Klagetools geäußert. Fest steht, dass das Projekt in Kooperation mit dem Fellowship-Programm „Tech4Germany“ läuft und ein Prototyp entwickelt wird.
Bei einer Klageeinreichung mittels Online-Klagetool müssten auf jeden Fall die in der ZPO genannten Mindestvoraussetzungen erfüllt sein. Sonst kann die Klage bereits unzulässig sein. Dazu gehören neben der Bezeichnung der Parteien und des Gerichts auch die „bestimmte Angabe des Gegenstands und Grundes des erhobenen Anspruchs“ sowie ein „bestimmter Klageantrag“. Diese Angaben könnten per Online-Formular abgefragt und das ausgefüllte Formular könnte digital an das zuständige Gericht übermittelt werden. Allerdings ist vor allem die Formulierung eines „bestimmten Klageantrags“ für juristische Laien eine schwierige Herausforderung. Es ist zu erwarten, dass das BMJV ihnen zum Online-Klagetool Hilfestellungen und Musteranträge anbieten wird.
Nach der ZPO muss die Klageschrift außerdem mit der Unterschrift der für den Schriftsatz verantwortlichen Person versehen sein, damit Rechtssicherheit und Rechtsklarheit gegeben sind. Wie eine Originalunterschrift unter der Klageschrift über das Online-Klagetool umgesetzt werden kann, ist noch unklar. Denkbar wäre eine elektronische Signatur. Das könnte die Nutzungsmöglichkeiten der digitalen Klagemöglichkeit allerdings einschränken.
Konsequenzen für Unternehmen?
Bisher ist die Hemmschwelle, zu klagen, hoch. Bei geringer Forderungshöhe oder auch generell scheuen Betroffene Aufwand, Prozessrisiko und Kosten. Wird das Verfahren durch das Online-Klagetool vereinfacht, könnten Klagen zunehmen. Eine große Klagewelle müssen Unternehmen wohl nicht fürchten. Die neue Option vermindert schließlich nur den Aufwand. Die Gefahr, zu unterliegen und Kosten tragen zu müssen, droht der klagenden Partei weiterhin genauso wie bei jedem Gerichtsprozess. Für Unternehmen, die Forderungen mit niedrigem Streitwert geltend machen wollen, ohne einen Rechtsanwalt einzuschalten, kann das neue Online-
Klagetool von Vorteil sein.
Autorin
Polina Schwarz
BRP Renaud und Partner mbB
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