Wirtschaftsförderin Tanja Frisch
Im Einsatz für einen
„Ort, an dem alles noch ‚in Ordnung‘ ist“
Tanja Frisch wurde beim ZDF in Mainz als Kauffrau für audiovisuelle Medien ausgebildet und hat Kommunikations- und Medienmanagement studiert. Anschließend arbeitete sie als PR-Beraterin in Agenturen. Seit Dezember 2018 leitet sie die Wirtschaftsförderung ihres Heimatortes Seligenstadt.
Frau Frisch, seit Ende 2018 sind Sie Wirtschaftsförderin der Stadt Seligenstadt. Mehr als die Hälfte Ihrer bisherigen Amtszeit wurde von Corona überschattet.
Was konnten Sie trotzdem in diesen zweieinhalb Jahren erreichen?
Ja, stimmt, ich hatte rund ein Jahr, um mich einzugewöhnen, da trat schon der Ausnahmezustand ein. Die Zeit konnte ich nutzen, um mich im örtlichen Netzwerk vorzustellen und Kontakte zu knüpfen. Als frisch aus der Agenturwelt gekommene PR-Beraterin war der Wechsel in eine Stadtverwaltung mit viel Neuem verbunden. Allerdings gibt es auf den zweiten Blick viele Parallelen in der Arbeit: Kommunikation, Netzwerken und Beraten sind überall essenziell. Gemeinsam mit den Kolleginnen vom Amt für Stadtentwicklung verkaufe ich fortlaufend städtische Grundstücke in unseren Gewerbegebieten – sowohl an Bestandsunternehmen als auch an Neuansiedelnde.
Unser „Unternehmerdialog“ ist ein Veranstaltungsformat mit Informations- und Netzwerkcharakter. Zudem beteiligte ich mich an der „5×5 Minuten – Ideenwerkstatt“ Fachkräftegewinnung für den Mittelstand. Darin berichten Unternehmer und Unternehmerinnen über Erfahrungen und praktische Tipps, zum Beispiel wie Personal gewonnen, gehalten und qualifiziert werden kann. Eine der Veranstaltungen fand bei der Seligenstädter Firma Campoint AG statt.
Mit „Wer bist’e denn? Was meschst’e denn?“ veranstalte ich gemeinsam mit dem SeligenStadtMarketing und dem Gewerbeverein eine Stadtführung speziell für Gewerbetreibende. Der Fokus liegt auf alten und neuen Geschäften, der Historie des Gewerbes und persönlichen Erinnerungen. Das Format kam direkt sehr gut an, daher freuen wir uns, es so bald wie möglich wieder in Angriff zu nehmen.
Unter dem Motto „Präsenz zeigen: Erfolg sichern!“ habe ich 2019 gemeinsam mit der IHK Offenbach am Main Workshops für Handel und Gastgewerbe organisiert. Zu den Themen gehörten „Wie präsentiere ich mich professionell im Netz“ oder „Markenbildung im Einzelhandel“. Gerade diese beiden Schwerpunkte wurden dankend angenommen.
Wie unterstützt die Stadt die Unternehmen in der Pandemie?
Im Frühjahr 2020 hat sich für meine Arbeit und für viele Unternehmen mit einem Schlag alles geändert. Schwerpunkte wie Netzwerkarbeit und Events sind ausgefallen. Vielmehr ging es für die meisten ums blanke Überleben. Hilfsmaßnahmen mussten geprüft werden. Es wurden neue Geschäftszweige gewagt. Ein Umdenken war notwendig. Es herrschte große Unsicherheit. Gegenüber den Bundes- und Landesmaßnahmen waren uns als Kommune leider die Hände gebunden. Aber wir konnten eine Stütze sein, Hilfe vermitteln.
Unbürokratisch hat die Stadt zuerst die Gewerbesteuern zinsfrei gestundet und die Gewerbemieten für städtische Liegenschaften ausgesetzt. Wir finanzierten die gemeinsam mit dem SeligenStadtMarketing vorangetriebene Einführung des Gutscheinportals www.seligenstadt-liebe.de der Seligenstädter Agentur CFM. Innerhalb kurzer Zeit präsentierten sich dort mehr als 50 Unternehmen, Geschäfte und Dienstleister. Durch Gutscheinkäufe konnten Bürgerinnen und Bürger eine finanzielle Unterstützung leisten und zum Fortbestand von Einrichtungen beitragen. Auch 50-Euro-Gutscheine für 45 Euro haben wir eingeführt. Mehrfach war ich mit unserem Bürgermeister Dr. Daniell Bastian und Monika Weber vom Stadtmarketing mit Ballons und Stickern auf Motivationstour. Wir haben Einzelhändlern und Gastronomen Mut zugesprochen und Menschen animiert und sensibilisiert, lokal zu kaufen.
Gemeinsam mit dem Unternehmer Wolfgang Pachali entstand der Krisenstab Wirtschaft-Corona. Vertreter aus den Bereichen Recht, Steuern, Versicherungen und Bankenwesen sowie IHK und Kreishandwerkerschaft stehen den Seligenstädter Unternehmern für eine kostenlose Erstberatung zur Verfügung. Das Gremium tagt regelmäßig per Videokonferenz.
Der Gastronomie haben wir mehrere Tausend Gästeregistrierungsbögen kostenfrei bereitgestellt. Bei gemeinsamen Treffen erarbeiteten wir einen Fahrplan für die Außenbewirtung in den Wintermonaten. Nur leider kam es anders und die Betriebe mussten gänzlich schließen. Dank der Initiative des Seligenstädters Daniel Reuter haben Gewerbetreibende über den Lockdown hinaus die Möglichkeit, ihre Waren ausliefern zu lassen. Geliefert wird mit den kostenlos zur Verfügung gestellten E-Lastenrädern, den sogenannten Einhard-Bikes der Maingau Energie GmbH.
Wie schätzen Sie die heutige Situation der Seligenstädter Unternehmen ein?
Erst die kommenden Monate werden zeigen, wer die schwierige Zeit so weit überstanden hat, dass an eine Zukunft gedacht werden kann. Bisher ist keine Schließungswelle im Einzelhandel sichtbar. Auch in anderen Branchen ist es bisher ruhig. Ich hoffe auf das Beste und stehe unterstützend zur Seite!
Welche Ihrer Services und Angebote werden vorwiegend in Anspruch genommen?
In Zusammenarbeit mit dem Verein „Die Wirtschaftspaten e.?V.“ führe ich jedes Jahr mehrere kostenlose Erstberatungen zu Fragen der Existenzgründung, Unternehmenssicherung oder Unternehmensnachfolge durch. Das gut nachgefragte Angebot richtet sich an Gründer, Selbstständige sowie kleine und mittelständische Unternehmen. Die Vermittlung von Gewerbegrundstücken und freien Immobilien nimmt auch einen großen Teil meiner Zeit in Anspruch. Ansonsten weiß man morgens manchmal nicht, was der Tag bringen wird. Das macht meine Arbeit sehr spannend und abwechslungsreich.
Wer sind Ihre wichtigsten Partner?
Als Stabsstelle bin ich direkt dem Bürgermeister unterstellt und schätze die Rücksprachen mit ihm sehr. Des Weiteren bestehen mit der SeligenStadtMarketing GmbH eine enge Absprache und projektbezogene Zusammenarbeit. Auch mit dem Gewerbeverein stehe ich im Austausch. So entstand zum Beispiel die Broschüre „Shopping in Seligenstadt“, die rund hundert Einzelhändler in der Altstadt vorstellt. Auch haben wir gemeinsam Shopping-Wegweiser, den Lastenrad-Lieferdienst und verschiedene Events organisiert.
Seit 2020 bin ich Mitglied im IHK-Expertenrat „Zukunftsfähige Innenstadt“. Hier geht es um Handel, Stadtmarketing, Tourismus und Gastgewerbe sowie Innenstadtentwicklung. Mit dem IHK-Team Standortentwicklung stehe ich in sehr gutem Austausch. Um den Standort in der Metropolregion FrankfurtRheinMain besser zu profilieren, pflegen die Kreiswirtschaftsförderung, die 13 kreisangehörigen Städte und Gemeinden, die IHK sowie die Kreishandwerkerschaft darüber hinaus das gemeinsame Wirtschaftsförderkonzept „Schneller. Stärker. Smarter.“. Es ist schön, Themen, die alle Kommunen betreffen, gemeinsam voranzubringen.
Wie steht es mit freien Gewerbeflächen in Ihrer Stadt?
Welche Art von Betrieben ist vor allem willkommen?
Durch die geographische Lage am Main zwischen Hainburg und Mainhausen sowie die A?3 im Westen ist Seligenstadt zwar kein klassischer Standort für große Gewerbeflächen. Allerdings hätten wir nichts dagegen, dem einen oder anderen größeren Unternehmen Angebote zu unterbreiten. Wir werden fortlaufend Grundstücke ausweisen, vor allem im Gewerbegebiet südlich der Dudenhöfer Straße. Durch die direkte Autobahnanbindung sind diese Flächen besonders begehrt. Die meisten Verkäufe verbuchen wir bei Grundstücken mit rund 1.000 bis 2.000 Quadratmetern. Der Fokus liegt eher auf dem Handwerk und auf Dienstleistungen als im Bereich Lager oder Spedition. Im Gewerbegebiet Nordring II können wir auch größere Grundstücke anbieten, die noch attraktiver werden, sobald der geplante dritte Abschnitt der Ortsumgehung gebaut wird. Er wird die Anbindung signifikant verbessern.
Auch in den Gewerbegebieten unserer Stadtteile Froschhausen und Klein-Welzheim sind Betriebe unterschiedlicher Branchen angesiedelt. Hier stehen aktuell jedoch keine städtischen Flächen zum Verkauf.
Was spricht dafür, dass ein Unternehmen sich in Seligenstadt neu ansiedelt?
Was schätzen Unternehmen besonders?
Mit rund 22.000 Einwohnern ist unsere Stadt am Rande der Metropolregion FrankfurtRheinMain eine lebendige Mittelstadt mit attraktiver Fachwerk-Altstadt und großem Bürgerengagement. Es herrschen eine hohe Lebensqualität sowie ein reges Vereinsleben mit vielen Freizeit- und Kulturangeboten. Dabei ist Seligenstadt auch ein moderner Wirtschaftsstandort und ein beliebtes Touristenziel. Hier finden sich überwiegend kleine, inhabergeführte Geschäfte und eine vielseitige Gastronomie. Der eigene A?3-Anschluss, die Nähe zur A?45 und die Lage zwischen Aschaffenburg, Hanau und Offenbach machen unsere Stadt für das ganze Einzugsgebiet zwischen Spessart, Odenwald und Frankfurt attraktiv. Die Stadt ist lebenswert, voll von Historie und bietet immer etwas – sei es kulturell, kulinarisch oder festlich. Man kennt sich, man kümmert sich umeinander. Ein wenig fühlt es sich in Seligenstadt an wie an einem Ort, an dem alles noch „in Ordnung“ ist. Das möchte ich nicht missen!
Die Fragen stellte
Birgit Arens-Dürr
IHK Offenbach am Main