Zusammenspiel der unterschiedlichen Standorte zählt
Eine Marke mit internationalem Anspruch
Die Picard Lederwaren GmbH ist ein in der Region und international agierendes Familienunternehmen. Geschäftsführer Georg Picard spricht über Entscheidungen, Erfahrungen, Pläne.
Zum vorbildlichen Picard-Betrieb in Bangladesch gehören auch ein Kindergarten, eine Schule und eine Berufsfachschule. / Fotos: Picard
Georg Picard
leitet das Traditionsunternehmen in der vierten Generation.
Woher beziehen Sie Ihre Rohstoffe?
Unsere Leder und lederfreien Obermaterialien beziehen wir zum Großteil aus Italien und Asien.
Wie stellen Sie sicher, dass nicht nur die Qualität der Rohstoffe Ihren Ansprüchen genügt, sondern auch soziale und ökologische Standards bei deren Herstellung eingehalten werden?
Wir kaufen stets von Herstellern, die sich der Europäischen Giftstoffverordnung REACH verpflichtet haben. Unsere Lederlieferanten sind zudem bereits zu 80 Prozent durch die Leather Working Group (Anm. der Redaktion: Initiative mit dem Ziel, die Bedingungen in Gerbereien und bei Zwischenhändlern transparenter zu machen und nachhaltig zu verändern) zertifiziert. Die restlichen folgen bis spätestens 2023. Alle Gerbereien, die dann das Zertifikat nicht vorweisen können, werden nicht mehr an uns liefern, egal ob in Italien, Deutschland oder Asien.
Wie beurteilen Sie das neue Lieferkettensorgfaltsgesetz? Bringt es Fortschritte? Ist es eine bürokratische Last?
Das neue Lieferkettensorgfaltsgesetz wurde vor allem für die Unternehmen entwickelt, die in großen Volumen in Asien über Ordermakler einkaufen und die Lieferkette nicht wirklich überschauen können. Wir erfüllen bereits jetzt deutlich mehr, als das Gesetz vorgibt.
Hatten oder haben Sie in der Pandemie unter Lieferengpässen zu leiden? Wie schützen Sie Ihr Unternehmen davor?
Die Containerpreise aus Asien haben sich fast verzehnfacht, was auch ein Grund für die starke Teuerung vieler aktueller Produkte darstellt. Zudem ist der Containerkreislauf gestört. An der US-Westküste lagern Tausende leerer Container, die dringend in Asien benötigt werden. Und dort gibt es wegen Covid-Fällen immer wieder Staus durch zweiwöchige Lockdowns der wichtigsten Häfen. Diese lösen sich, wenn, nur sehr langsam auf, was zu enormen Lieferverzögerungen führt. Glücklicherweise fertigen wir noch in Deutschland und in der Ukraine, so dass wir deutlich besser liefern können als viele große Brands, die rein aus Asien importieren.
Es gibt Picard-Produkte „Made in Germany“, aber auch solche, die in Bangladesch und der Ukraine gefertigt werden. Warum haben Sie sich seinerzeit entschlossen, gerade in diesen Ländern Produktionsstätten zu errichten?
Ein Produkt „Made in Germany“ kostet etwa das Doppelte eines Produkts aus der Ukraine oder Bangladesch. Diese Preise werden bei aller Sympathie für unsere Strategie „Made in Germany“ nur ungerne und von wenigen bezahlt. Aber es gibt sie zu unserer Freude. Die Produkte aus unserem zertifizierten Werk in Bangladesch und unserem europäischen Werk in der Ukraine stellen mit ihrem Umsatzvolumen sicher, dass wir in Deutschland die Fertigung aufrechterhalten können. Wichtig ist uns, dass wir die sozialen und ökologischen Standards in unseren Auslandswerken zu hundert Prozent kontrollieren, die sozialen und ökologischen Standards unseren Familienwerten entsprechend sehr hoch halten und laut des deutschen Staatsministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung ein Vorzeigeunternehmen für ausländische Investition darstellen.
Welche Standorte sind wichtiger?
Alle Standorte sind wichtig, da wir alle benötigen, um unsere Kunden liefertermintreu zu versorgen.
Welche Produkte stellen Sie in Bangladesch und der Ukraine her?
Wir können in allen Werken alle unsere Modelle herstellen. Allerdings fertigen wir transportwegeoptimiert in Bangladesch die Modelle aus Materialien von unseren asiatischen Lieferanten und in Deutschland und der Ukraine von unseren europäischen Lieferanten.
Werden Sie sich dort auch zukünftig engagieren?
Ein klares Ja, denn wir haben insbesondere in Bangladesch nicht nur ein Vorzeigeunternehmen aufgebaut, sondern begleitend einen Kindergarten, eine Schule und eine Berufsfachschule, die in der Region, in der sich das Unternehmen befindet, viele gut ausgebildete Menschen dem Land zur Verfügung stellt. Wir sehen das als Teil unserer Verantwortung, in Bangladesch die sozialen und ökologischen Strukturen zu verbessern, soweit es in unserer Macht steht. Von Herzen, denn es gibt nichts Schöneres, als in glückliche Gesichter von betreuten und beschulten Kindern zu schauen, die dadurch Hoffnung haben auf ein Leben außerhalb der Armut.
Lederwaren von Picard werden in Deutschland verkauft, aber auch innerhalb Europas und in einigen weiteren Ländern. Sie unterhalten zum Beispiel Läden in Singapur und Sankt Petersburg. Welche Vorteile und welchen Stellenwert hat dieses Auslandsengagement für Ihr Unternehmen?
Meist werden die ausländischen Picard-Shops von unseren Partnern in den jeweiligen Ländern aufgebaut und betrieben, mit unseren Designvorgaben. Das hilft uns vergleichbar kleinem Unternehmen, auch international ein wiedererkennbares Markengesicht zu bekommen.
Gibt es dabei Schwierigkeiten oder Hindernisse?
Nennen wir es nicht Hindernisse, sondern unterschiedliche Mentalitäten und Sichtweisen, die durch Transparenz und Einfühlungsvermögen gut zu verbinden sind.
Global oder regional – wo werden Sie in Zukunft welche Schwerpunkte setzen und warum?
Global und regional sind beides wichtige Vertriebsfelder, die nicht zu vernachlässigen sind. Denn eine Marke mit internationalem Anspruch, Wiedererkennbarkeit und regionaler Stärke sieht in den Augen der Endverbraucher und Endverbraucherinnen sehr attraktiv aus. Das heißt, sie hat eine hohe Begehrlichkeit. Daher auch unsere Vision: „Meine Lieblingsmarke mit Tradition!“
Die Fragen stellte Birgit Arens-Dürr, IHK Offenbach am Main