Digitale Lösungen, begehrte Rohstoffe, Nachhaltigkeit im Fokus

Alleskönner Finnland

Finnland ist für viele Deutsche das Land der Seen und Saunen. Was das EU-Land wirtschaftlich zu bieten hat, wissen die wenigsten. Dabei ist es ein hochmoderner Allrounder mit weltweit beachteten Kompetenzen in Digitalisierung und Nachhaltigkeit. Zudem rückt das nordische Land bei Themen wie Energie und Rohstoffe in den europäischen Fokus. Die Strompreise gehören seit Langem zu den günstigsten in der EU. Und Finnland bewältigt die gesamte Batterie-Wertschöpfungskette von den Mineralien bis zum Recycling.

Ja, in Finnland gibt es unglaublich viele Seen, aber auch jede Menge innovative Unternehmen, die für Kooperationen mit deutschen Firmen offen sind. / Foto: Vivian K on Unsplash

Rund 5,5 Millionen Finnen leben auf einer Fläche, die der von Deutschland entspricht. Das „Land der tausend Seen“ hat über 180.000 Binnengewässer. 73 Prozent seiner Fläche sind bewaldet. Naturnähe und weite, dünn besiedelte Landschaften machen Nachhaltigkeit und Konnektivität für die finnische Wirtschaft und Gesellschaft so bedeutend.

Finnland hält seit Jahren Spitzenränge bei Digitalisierung und Nachhaltigkeit. Und es gibt weitere Gründe, warum finnische Firmen interessante Partner für deutsche Unternehmen sind. Die Finnen gehen Herausforderungen pragmatisch und proaktiv an. Sie arbeiten weniger hierarchisch. Das zeigt sich deutlich, wenn zum Beispiel neue Technologien auf den Markt kommen. Während die Finnen produktiv betrachten, wie man eine neue Technologie vorteilhaft einsetzen könnte, wird in Deutschland gerne zuerst das Risiko analysiert.

Vom Nokia-Cluster zu IT-Ökosystemen

Die finnische Stärke in IT und IKT hat eine lange Vorgeschichte: Nokia brachte Anfang der 1980er die ersten Autotelefone auf den Markt und wurde in den 90er-Jahren zum Marktführer von Mobiltelefonen. Das Modell Nokia 1100 ist das meistverkaufte Mobiltelefon aller Zeiten, noch weit vor dem iPhone. Die Handy-Sparte von Nokia wurde jedoch vom Wettbewerb überholt und aus dem Unternehmen ausgegliedert. Dieser Schock für Finnlands Stolz hatte langfristig jedoch positive Wirkungen: Tausende von ehemaligen Nokia-Experten gingen zu anderen Unternehmen oder gründeten selbst. Aus dem einen großen finnischen Hightech-Cluster Nokia wurde ein weitverzweigtes Ökosystem mit vielfältigen persönlichen Kontakten. Der Anteil an IT-Spezialisten an den Gesamtbeschäftigten lag in Finnland 2021 bei 7,4 Prozent. Das entspricht Rang zwei in der EU-Statistik. Deutschland belegt mit knappen fünf Prozent Rang zwölf.

Begehrte Rohstoffe aus europäischem Bergbau

Aufgrund der geopolitischen Lage stehen weltumspannende Lieferbeziehungen derzeit auf dem Prüfstand. Finnland rückt als sicherer Lieferant mit EU-Standards für viele Branchen in den Fokus. Ein Beispiel sind Batterierohstoffe: Finnland ist laut dem staatlichen geologischen Forschungszentrum GTK das einzige EU-Land mit großen Vorkommen an Batteriemineralien sowie mit bedeutenden Bergbau- und Verarbeitungsbetrieben. Das Land hat die größte Nickelmine in der EU und ist der einzige EU-Staat mit Kobaltminenproduktion. 2021 produzierte Finnland über 11.000 Tonnen raffiniertes Kobalt. Die Lithiumproduktion soll in naher Zukunft beginnen. Zudem wird Kupfer gewonnen, und es gibt unter anderem auch Graphitvorkommen.

Die Nachfrage nach diesen Rohstoffen steigt und die Finnen lassen den heimischen Bergbau mit nachhaltigen Innovationen glänzen: Unternehmen und Forschungsinstitute arbeiten gemeinsam an einer Technologie zur Rückverfolgbarkeit von Batteriemetallen und Mineralien. Das finnische Projekt Battrace hat zum Ziel, die Herkunft von Batteriematerialien bei der Beschaffung analytisch einwandfrei zu klären. Das hilft der Industrie, wichtige Standards und Nachhaltigkeitsziele zu erreichen.

Innovationskraft: Finnland hat, was Deutschland braucht

Viele deutsche Unternehmen haben Finnland bereits als innovativen agilen Standort entdeckt, zum Beispiel für die Entwicklung neuer Produkte. 2019 entschied sich die ­Schaeffler-Gruppe, Zulieferer für die Automobil-, Luftfahrt- und Maschinenbauindustrie aus Herzogenaurach, ein Team für neue IoT-Produkte in Finnland anzusiedeln. Dieses Team schaffte es von der Entwicklung zur Marktreife in weniger als zwölf Monaten. Das hoch ausgebildete, gut zugängliche und effiziente Ökosystem in Finnland ermöglicht es, neue Produkte mit digitalen Anwendungen zu testen und schnell auf den Markt zu bringen. Die technologiefreundliche Unternehmenslandschaft und die Gesellschaft in Finnland bilden einen guten Nährboden. „Ein optimales Umfeld, um innovativ zu sein und Neues zu schaffen“, sagt Richard Haagensen, Head of Partner Ecosystem bei Schaeffler.

Digitale Geschäftsmodelle „made in Finland“

Digitale Geschäftsmodelle fehlen noch zu häufig in deutschen Unternehmen oder sie werden zögerlich entwickelt. Darauf lassen die Ergebnisse des Digitalisierungsindex 2022 des Kölner Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) schließen. Finnische Unternehmen sind imstande, auch in sehr traditionellen Branchen digitale Geschäftsmodelle zu entdecken: Die finnische Firma Fluid Intelligence hat vor einigen Jahren Öl zum Leasing-Produkt gemacht. Ihre Industriekunden zahlen nicht für die Ölmengen, sondern für die Produktqualität und deren Überwachung. Das Unternehmen analysiert mit vernetzten Sensoren die Eigenschaften des Öls, um die Haltbarkeit zu verlängern und den Verbrauch zu reduzieren.

Deutsch-finnische Kooperationen

Viele Kooperationen zeigen, dass beide Länder voneinander profitieren. So hat das finnische Unternehmen Neste gemeinsam mit Lufthansa sein Biokerosin aus Speiseöl-Abfällen erfolgreich getestet. Neste ist der weltweit größte Produzent von Sustainable Aviation Fuel (SAF). Im Automotive-Sektor hatte der Auftragsfertiger Valmet Automotive Mercedes-Benz als zufriedenen Kunden. Das finnische Unternehmen hat sich zudem als Lieferant für Batterien für die Elektromobilität zukunftsfähig aufgestellt. Es hat auch Produktionsstandorte in Süddeutschland. Die finnische Software-Schmiede Unikie pflegt mehrere Kooperationen mit der deutschen Autoindustrie. Unter anderem geht es dabei um autonomes Parken.

Zwischen der IHK Offenbach am Main und der AHK Finnland besteht ein enger Austausch. IHK-Hauptgeschäftsführer Markus Weinbrenner ist aktives Vorstandsmitglied der AHK Finnland. Er erklärt: „Häufig blicken deutsche Unternehmen durch die Exportbrille auf andere Länder. Sie sollten die Potenziale erkennen, die Kooperationen mit technologisch weit entwickelten europäischen Nachbarn bieten können. Finnland ist ein solches Land.“

Fünf Finnland-Fakten – Spitzenplätze in der EU und weltweit

  • Digitalstes Land der EU: Seit vielen Jahren gehört Finnland zum Spitzenfeld im Digital Economy and Society Index (DESI) der EU, aktuell Rang 1 (2022).
  • Rang 1 im UN-Nachhaltigkeitsreport laut Sustainable Development Report der UN 2022
  • Mit 7,4 % IT-Experten auf dem Arbeitsmarkt Platz 2 in der EU-Statistik von 2021
  • Finnland gehört zu den Innovationsführern in der EU. Laut dem European Innovation Scoreboard 2022 belegt es Rang 2.
  • Den höchsten Waldanteil in der EU hat Finnland mit 73,4 % der
    Landesfläche und 22,4 Mio. Hektar.

Deutsche Handelskammern weltweit – auch in Helsinki

Deutsche Unternehmen, die ihr Auslandsgeschäft auf- oder ausbauen wollen, werden weltweit von den Deutschen Auslandshandelskammern (AHKs) beraten, betreut und vertreten. Eine davon ist die AHK Finnland, die Deutsch-Finnische Handelskammer in Helsinki. Ein rund 30-köpfiges Expertenteam berät vor allem kleine und mittelständische Unternehmen zu Exportaktivitäten und fördert die deutsch-finnische Zusammenarbeit. Sie bietet unter anderem Markteintritt-Services, Hilfe bei der Geschäftspartnersuche, Technologie- und Start-up-Scouting sowie Steuer-, Personal- und Rechtsdienstleistungen. Zudem bildet ihr Netzwerk aus mehr als 650 freiwilligen Mitgliedsunternehmen eine einzigartige, aktive deutsch-finnische Plattform für den Austausch und viele Networking-Veranstaltungen.

www.ahkfinnland.de

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